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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Tarneke
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unsere Ärzte mit ihrem Latein am Ende. Erschöpft verglichen sie noch einmal alle Daten, die wir in den letzten Stunden gesammelt hatten, als auf einmal Paul, unser junger Pflegeschüler, hereinkam.
    Â»Jetzt hat er Hunger«, sagte er und fügte grinsend hinzu: »Herzrasen, Hallus, Durst und Hunger – als wenn er bekifft wär!«
    Für einen Moment sahen wir uns alle fragend an.
    Â»Der ist Leiter der Sparkasse!«, sagte ich dann. »Der kifft doch nicht!«
    Dr. Alma A. zuckte nur mit den Schultern. »Ich hab schon alles erlebt.«
    Zwei Minuten später standen wir wieder an Herrn W.s Bett. Ursel und Nina W. saßen bei ihm und tätschelten dem mitgenommen aussehenden Mann abwechselnd Hand und Wange.
    Â»Herr W. kann es sein, dass Sie Drogen genommen haben?«
    Gerhard W. sah Dr. A. an, als wäre sie eine Außerirdische.
    Â»Nein. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Drogen genommen. Wie kommen Sie denn darauf?«
    Â»Viele Ihrer Symptome sprechen für eine Überdosis Marihuana.«
    Â»Blödsinn. Das müsste ich doch wissen«, antwortete Herr W. kraftlos.
    Seine Tochter Nina starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    Â»Warst du in meinem Zimmer, Papa?«
    Â»Ã„h … ja. Dein Fenster stand offen, und als es anfing zu regnen …«
    Â»Hast du einen von meinen Keksen gegessen? Aus der roten Keksdose???«
    Â»Einen? Die habe ich leer gemacht. Du weißt doch, dass dein Vater etwas verfressen ist«, grinste Herr W. schwach. »Wieso fragst du?«
    Nina musste schlucken, und ich sah ihr an, wie sie nach den richtigen Worten suchte. Auch Dr. A. schien es zu ahnen.
    Â»Es geht um die Gesundheit Ihres Vaters«, sagte sie mahnend. »Wenn Sie uns irgendetwas dazu mitteilen möchten, dann sollten Sie das jetzt unbedingt tun.«
    Â»Nina?« Ihre Mutter sah sie fragend an. »Was ist denn los? Was waren das für Kekse?«
    Das junge Mädchen holte tief Luft.
    Â»Spacecakes«, sagte sie schließlich.
    Â»Space… was?«
    Weder ihre Mutter noch ihr Vater schienen zu verstehen, wovon sie sprach.
    Â»Ich hab mit Tine Haschkekse gebacken«, sagte Nina zögerlich. »Wir wollten es mal ausprobieren …«
    Â»Waaas?«
    Mutter und Vater W. machten ein entsetztes Gesicht.
    Â»Mann, Papa! Was gehst du auch in mein Zimmer! In der Dose waren mindestens zehn Kekse! Und in jedem Keks war mindestens ein halbes Gramm!«
    Â»Fünf Gramm Marihuana – nun, das dürfte die Symptome erklären«, stellte Dr. A. fest und versuchte, sich ein Grinsen zu verkneifen.
    Â»Mit so etwas ist nicht zu spaßen, junge Frau«, sagte sie dann ernst. »Für Ihren Vater hätte es tatsächlich lebensbedrohlich werden können. Stellen Sie sich mal vor, der Rausch hätte ihn völlig unerwartet im Auto erwischt!«
    Â»Oder in der Bank!«, entfuhr es Frau W. schockiert.
    Gerhard W. sah seine Tochter verständnislos an.
    Â»Drei Wochen Hausarrest«, sagte er nur, und Nina nahm das Urteil nickend auf.
    Â»Wir behalten Sie noch einen Tag auf der Station, Herr W.«, sagte Dr. A. »Zur Sicherheit. Dann müssten die Drogen eigentlich weitestgehend abgebaut worden sein in Ihrem Körper.«
    Herr W. nickte nur und sah seine Tochter weiter strafend an.
    Â»Es tut mir leid. Aber wenigstens hast du keinen Herzinfarkt, Papa«, sagte sie leise.
    Dann ließen wir die Familie alleine, und als ich mit meinen Kollegen im Flur stand, konnten wir das Lachen doch nicht länger unterdrücken. Die Vorstellung, wie jemand hungrig eine solche Menge Haschkekse futtert und dann völlig unerwartet in einen Drogenrausch gerät, hatte bei aller Dramatik irgendwie auch etwas Komisches!

7
»Es tat ihm mehr weh als mir« – Häusliche Gewalt und ihre Ausreden
    A ls Krankenschwester in einer Notaufnahme werde ich zwangsläufig mit viel Leid konfrontiert. Neben dem durch Krankheit und ungewollte Verletzungen ausgelösten Leid gehen mir vor allen Dingen die Patienten zu Herzen, die Opfer häuslicher Gewalt werden und nicht selten in große Tragödien verstrickt sind. Auch hier spielen Alkohol und Drogen natürlich häufig eine große Rolle, aber nicht immer.
    Am schlimmsten ist es, wenn Kinder zu Opfern werden, dann alarmiere ich schon beim geringsten Verdacht sofort die Polizei. Zum Glück habe ich bisher nicht allzu viele Kinder behandeln müssen, meistens sind es Ehepartner, die

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