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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Detail. Unglaublich herbeigesehnt. Mittwochabend bis Donnerstagabend. Zu kurz – aber immerhin.
     
    Am Abend zuvor hatten sie den neuesten Disney-Film ausgeliehen. Hatten sich Popcorn gemacht. Fanta getrunken. Mrado hatte Mamma Scans Fleischklösschen gebraten und Kartoffeln gekocht. Sogar Sauerkraut zubereitet. Hatte Lovisa beim Schälen, Schneiden und Ketchupdraufspritzen geholfen. Leider mochte sie das Sauerkraut nicht, das einzig Serbische auf dem Teller.
    Was für ein verdammtes Idyll.
    Der ganze Tag gehörte ihnen. Beim letzten Mal war es schiefgegangen. Mrado hatte keine Chance gehabt, Lovisa vom Hort abzuholen, war stattdessen gezwungen gewesen, seine Muskeln gegenüber einem Speedfreak in Tumba spielen zu lassen, der Nenad bedroht hatte. Der Idiot hatte Nenads Nummer irgendwie rausgekriegt und zu Hause bei seiner Frau und dem Kind angerufen. Er konnte gern an der Nadel hängen und sich endlos mit dem Zeug zudröhnen, aber nicht Nenads Familie belästigen. Mrado und Ratko hatten den Fixer aufgesucht. Ihm das Maul gestopft: gebrochene Nase und eindrucksvolle Schürfwunden an der Stirn. Die Auswirkung davon, in einem Treppenhaus im Grödingeväg 13 mit dem Kopf gegen eine Zementwand geknallt zu werden.
    Das Paradoxe daran: Mrado wollte seine Tochter sehen, und dennoch vermasselte er es oft. Hinterher ärgerte er sich jedes Mal. Rechtfertigte es vor seinem Gewissen: Irgendwer musste ja die Kohle ranschaffen, um Lovisa ein anständiges Leben zu ermöglichen. Besser so, als ständig herumzunölen wie ihre Mutter, Annika, die Fotze, Sjöberg, es tat.
    Es war halb neun. Lovisa guckte Frühstücksfernsehen. Das Haar wuschelig wie bei einem Troll. Mrado drehte sich für drei Minuten noch einmal im Bett um. Stand schließlich auf. Küsste Lovisa auf die Stirn. Ging runter zum 7 -Eleven und kaufte Tropicanajuice mit extra viel Fruchtfleisch, Milch und Start-Müsli. Machte Frühstück: kochte Kaffee, goss Saft ein. Schmierte Lovisa ein Knäckebrot.
    Sie saßen vor dem Fernseher. Lovisa krümelte den Fußboden voll. Mrado trank Kaffee.
     
    Zwei Stunden später waren sie mit dem Bus auf dem Weg raus nach Gärdet. Mrado hatte sich nach all der Kritik, die er hatte einstecken müssen, weil er mit Lovisa zu schnell gefahren war, entschieden, das Auto stehenzulassen. Er hasste es, sich Annikas Willen zu beugen, aber im Augenblick war es angebracht, es vorsichtig angehen zu lassen, zumindest in der Stadt.
    Auf dem Gärdesfält lag eine weiße Schneeschicht. Lovisa erzählte von einem Schneemann, den sie im Hort gebaut hatte.
    »Ich und Olivia ham den größten gebaut. Wir ham von den Küchenfrauen ’ne Mohrrübe gekriegt und ham sie ihm als Nase aufgesetzt.«
    »Klingt richtig gut. Und aus wie vielen Schneekugeln habt ihr ihn gebaut?«
    »Drei. Und dann ham wir ihm noch’n Hut aufgesetzt. Aber die Jungs ham ihn kaputtgemacht.«
    »Wie gemein. Und was habt ihr dann gemacht?«
    »Ham es natürlich unsrer Lehrerin gesagt.«
    Mrado konnte es selbst kaum glauben, er schaute sich im Bus um. Keiner schien es zu registrieren – hier saß der Mann, der noch vor zwei Wochen einem Fixer die Fresse poliert hatte und jetzt die perfekte Vaterfigur abgab.
    Sie stiegen an der Haltestelle Tekniska museet aus.
    Lovisa lief auf die Maschinen und Installationen vor dem Eingang zu. Sie trug eine rote Steppjacke mit Pelzbesatz am Kragen. Grüne Stepphosen und an den Füßen Lederstiefel für Kinder. Mrados Beitrag: die Stiefel. Seine Tochter sollte nicht in irgendwelchen billigen Plastikschuhen herumlaufen.
    Seine Tochter war so voller Leben und ungebremster Energie. Genau wie er selbst als Kind in Södertälje gewesen war. Er erinnerte sich: Lovisa sprang schon als Dreijährige geradewegs die Treppe herunter – ohne Angst hinzufallen. Stürzte einfach los. Volle Attacke. Eins war sicher: Ihre Energie würde sie nicht an dieselben Dinge verschwenden wie er.
    Mrado näherte sich den Installationen. Er fror. Lovisa sprang auf eine Plattform vor einer Konstruktion, die wie eine überdimensionale Parabolantenne aussah. Mrado ging darauf zu. Lovisa bat ihn, die Beschreibung zu lesen. Ein Gerät, mit dem man Flüstertöne über eine große Entfernung hören konnte. Lovisa begriff es nicht. Mrado hingegen schon.
    Zeigte es ihr. Er ging zu einer zwanzig Meter entfernt stehenden, ähnlichen Parabolantenne.
    »Bleib genau dort stehen, Lovisa. Papa zeigt dir was Tolles.«
    Das Flüstern war trotz des Abstandes so laut zu hören, als stünden sie direkt

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