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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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Antwort doch längst. Ich bin auf der Flucht. Hast du mich etwa nicht wiedererkannt?«
    Sie lächelte.
    In Jorges Kopf: Flashbacks. Er und sie zusammen in Liseberg, als sie Mamas Schwester in Hisingen besucht hatten. Für einen Tag in Göteborg waren. Er, sieben Jahre alt und Paola ungefähr zwölf. Sie wollten Flumride fahren, die absolute Attraktion, und hatten ihn älter machen müssen, damit sie ihn fahren ließen. Paola hatte ihre Arme um ihn geschlungen, als sie in dem Plastikboot saßen, das wie ein ausgehöhlter Baumstamm aussah. Langsam ging es nach oben. Sie flüsterte ihm auf Spanisch ins Ohr, so dass die anderen es nicht verstanden: »Wenn du nicht versprichst, lieb zu sein, lass ich dich los.« Jorge bekam einen Riesenschreck. Und auch wieder nicht, kapierte es, glaubte er jedenfalls. Drehte sich um. Paolas Lächeln – sie hatte Spaß gemacht. Jorge lachte.
    »Wie still du bist. Bist du etwa sauer?«, fragte Paola.
    »Erinnerst du dich noch, als wir in Liseberg waren? Und Flumride gefahren sind?«
    Plötzlicher Ernst in ihrer Stimme.
    »Jorgelito, vor wem fliehst du eigentlich?«
    Stille.
    »Was meinst du, vor den Bullen natürlich.«
    »Vor ein paar Monaten bin ich nämlich in der Uni bedroht worden, und zwar nicht von der Polizei.«
    Jorges Augen verfärbten sich schwarz – es war nicht der Effekt der Kontaktlinsen.
    Der Hass.
    »Ich weiß, Paola. Das wird nie wieder vorkommen. Dieser Arsch, der das getan hat, wird seine gerechte Strafe erhalten. Ich schwöre es bei Papas Grab.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Du brauchst niemanden zu bestrafen.«
    »Du verstehst das nicht. Ich kann nicht mehr ich selbst sein, wenn diejenigen, die dich bedroht haben, nicht bestraft werden. Ich hab, verdammt nochmal, mein ganzes Leben lang Prügel eingesteckt. Von Rodriguez, den Sozialtanten, den Bullen. Und jetzt auch noch von den Jugoschweinen. In Österåker hab ich gelernt, mich in bestimmten Situationen zurückzuhalten, aber eben auch, mich zu wehren, wenn es nötig ist. Aus mir ist inzwischen was geworden. Wusstest du das eigentlich? Ich verdiene fette Kohle. Bin auf dem Weg nach oben. Mach Karriere. Hab ein Ziel vor Augen.«
    »Das solltest du dir lieber noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
    »Ich will mit dir nicht über diesen Scheiß reden. Können wir es uns nicht einfach ein bisschen gemütlich machen?«
    Die Anspannung legte sich genauso schnell, wie sie gekommen war.
    Sie redeten über andere Dinge.
    Die Zeit verging wie im Flug. Jorge wollte nicht zu lange bleiben. Sie tranken ihren Tee aus. Paola setzte frisches Teewasser auf. Diesmal ein neuer Beutel. Goss ein bisschen kaltes Wasser rein, damit Jorge ihn sofort trinken konnte.
    Im Flur stand eine weiße Ikea-Kommode, die Jorge noch aus der Wohnung im Malmväg kannte, in der sie aufgewachsen waren. Davor hochhackige Lederstiefel, Sneakers, Loafers und ein paar Ballystiefel aufgereiht.
    »Kannst du dir etwa Highheels leisten?« Jorge zeigte auf die Stiefel.
    »Ich hab sie von meinem Freund, der übrigens ein Arschloch ist.«
    »Warum?«
    Paola lächelte wieder. »Du hast nicht so ganz den Überblick, mein Kleiner. Sieht man es mir etwa nicht an? Ich kann überhaupt nicht mehr in hochhackigen Stöckelschuhen rumstolzieren. Ich werde Mama.«
     
    In der U-Bahn wurde er normalerweise immer müde. Aber nicht heute. Im Gegenteil, er war völlig aufgedreht.
    J-Boy würde Onkel werden.
    Sooo verrückt.
    Das musste er erst mal verdauen.
    Musste zusehen, dass er die Schweine fertigmachte, bevor Paola ihr Kind kriegte.
    Musste zusehen, dass er ordentlich Pesetas verdiente, bevor es so weit war.
    Ihr Kind sollte alle Vorzüge genießen, die ein liebender Onkel nur geben konnte.
    Ihr Kind sollte einen Onkel haben, der sich an denjenigen rächen würde, die der Familie Salinas Barrio Schaden zufügten.

47
    Die Strukturen der Geldwäsche waren schwer zu erfassen, aber JW hatte sich einiges angelesen. Es kamen ständig neue, aktualisierte Regelwerke auf den Markt. Neue EU -Direktiven wurden herausgegeben, Kommissionen gebildet, Ermittlungen geführt. Man setzte verstärkt auf eine Zusammenarbeit zwischen Banken, Finanzinstituten und den Herausgebern von Kreditkarten. Die Barrieren für die Berichterstattung wurden gesenkt, die Kontrolle des Geldverkehrs erhöht, Nachfragen verstärkt. Die EU setzte die Finanzbehörden unter Druck, die Finanzbehörden setzten die Banken unter Druck. Die Banken setzten die Kontoinhaber unter Druck.
    Es war nicht mehr möglich, sich

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