Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
desto spektakulärer die Diskussionen.
    JW betrachtete die Schlange; es war schlimmer als beim Check-in in Skavsta. Die fünfzigtausend Kronen aus den Tiefen seiner Prada-Tasche wogen inzwischen schwer in der Innentasche seines Dior-Mantels. JW dachte: Wenn ihn jetzt jemand mit einem Messer bedrohte und zustach, würde ihm das Bündel mit den Geldnoten das Leben retten.
    Seine Gedanken wanderten wieder zurück zu dem Verpackungsgehöft auf dem englischen Land. Chris, der Typ, der den Hof leitete, war also nur ein Handlanger der Hooligankerle, die das eigentliche Sagen hatten. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er in einem derart komplexen Zusammenhang mitgewirkt hatte. Es fühlte sich so ungeheuer gut an, und gleichzeitig war es so verdammt schwer, es nicht sofort Sophie weiterzuerzählen.
    JW kam an die Reihe.
    Er ging zur Kasse.
    War sich der Feuchtigkeit in seinen Handflächen bewusst.
    Versuchte zu lächeln.
    »Ist Annika Westermark zufällig am Platz?«
    Die Kassiererin lächelte zurück: »Ja, natürlich. Möchten Sie, dass ich sie hole?«
    Eine Fehleinschätzung von JW s Seite. Er hatte gehofft, in Annika Westermarks eigenen Raum gewiesen zu werden, um ihr das Bargeld dort zu übergeben. Umgehen zu können, dass er es an der Kasse öffentlich auspacken musste.
    Annika Westermark tauchte in einem dunklen Kostüm im gepflegten Bankenstil hinter der Glastrennwand auf, ähnlich wie beim letzten Mal, als er sie getroffen und ihr von seinem Geschäft mit den Möbeln erzählte hatte.
    JW beugte sich vor. »Hej, Annika. Wie geht es Ihnen?«
    »Alles so weit in Ordnung. Und Ihnen?«
    JW setzte seinen Kleinunternehmer-Stil auf. »Ja, verdammt. Es läuft gut. Diesen Monat ist es besonders gut gelaufen, einträgliches Geschäft. Ich hab drei Innenarchitekten bei mir gehabt, die eine gehörige Menge an Sitzgruppen gekauft haben.« Er lachte.
    Annika wirkte höflich interessiert.
    JW hatte ihr schon zuvor erklärt, dass die Einzahlungen für Marketingzwecke in England vorgesehen waren. Hatte sie sorgfältig darauf vorbereitet – sein gesamtes Business mit englischen Antikmöbeln basierte letztlich auf gezielten Einkäufen in Großbritannien, die wiederum ein aufwendiges Marketing erforderten. Sie schien es zu schlucken.
    Er reichte ihr das Notenbündel in einem Plastikfutteral herüber, fünfzig Riesen, und hielt gleichzeitig die Scheinrechnung in der anderen Hand. Schob sie unter der Glastrennwand hindurch.
    Annika nahm die Scheine heraus. Befeuchtete ihren Zeigefinger – wie eklig – und zählte sie. Hundert Fünfhunderter. Sie schaute auf die Rechnung.
    War sie skeptisch?
    Sie murmelte etwas vor sich hin.
    JW versuchte, den Naiven zu spielen. »Man fühlt sich ja nicht gerade wohl, wenn man mit den Einkünften eines gesamten Monats in der Tasche herumläuft.«
    Sie schob ihm ein Papier hinüber.
    »Bitte sehr, Ihre Quittung.«
    Alles schien in Ordnung. Sie machte sich keine weiteren Gedanken, kaufte ihm die Story geradewegs ab. Eine Einzahlung von fünfzig Riesen auf ein Konto – da war nichts Ungewöhnliches dran. Was sie allerdings nicht wusste, war, dass er vorhatte, weitere fünfzig bei SEB einzuzahlen, plus fünfzig, die er bereits mit der Post geschickt hatte. In zwei Tagen würde seine Firma auf der Insel um hundertfünfzig Tausender reicher sein.
    Er dachte: Wie würde sie wohl reagieren, wenn er im nächsten Monat zweihundertfünfzig einbezahlen würde? Die Zeit würde erweisen, ob es funktionierte.
    Er bedankte sich und verließ das Gebäude.
    Norrmalmstorg, flankiert mit Rechtsanwaltskanzleien, wirkte plötzlich wie eine Arena auf ihn. Die Leute mussten ihm regelrecht ansehen, wie er strahlte – was für ein Siegertyp er war.
    Er machte sich auf den Weg in Richtung SEB und hörte Kent auf seinem MP 3 -Player. Die bittere Gewissheit des Schwedischseins: »Ich werde einen Schatz stehlen. Der sich am Ende des Regenbogens befindet. Er ist meiner, denn das bist du.« Er musste an seine Eltern denken. Wie würden sie reagieren, wenn sie von der Geschichte mit Jan Brunéus erführen? Würden sie weiterhin nichts unternehmen? In Selbstmitleid und Tristesse versinken? Vielleicht würden sie die Sache doch endlich angehen. Irgendetwas unternehmen. Es lag wirklich an ihnen, die Polizei unter Druck zu setzen. Herauszufinden, was eigentlich geschehen war.
    Er ging die Nybrogata hinauf. Ein neuer Laden hatte eröffnet, genau dort, wo sich vorher ein Friseur befand. JW dachte: Das hier ist offensichtlich die

Weitere Kostenlose Bücher