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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lapidus
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konkursreichste Straße in ganz Stockholm. Hier hält sich kein Geschäft länger als ein Jahr.
    Es war mitten am Tag. Er müsste eigentlich etwas für sein Studium tun und konnte sich nicht entscheiden, ob er Sophie später am Abend treffen wollte. War sich unschlüssig.
    Dachte: Eigentlich bin ich ein soziales Genie.
Der talentierte Mr. Ripley
in schwedischer Ausführung. Er passte perfekt in das Klischee der Boys – gab sich nach der Fasson der Oberklasse, spielte mit, lachte an den richtigen Stellen, ahmte ihren Slang nach. Aber er passte irgendwie auch zu Abdulkarim und seinem Dealerkollektiv, ihrem Rinkebyjargon, ihrer Gewaltverherrlichung, Drogenmathematik. Konnte außerdem ganz gut mit Fahdi – einem warmherzigen, aber lebensgefährlichen Gorilla. Auch mit Petter und den anderen Dealern kam er gut aus. Und mit Jorge verband ihn sowieso eine besondere Beziehung.
    Neulich war es ihm wieder klargeworden. JW und Jorge hatten zu Hause bei Fahdi gesessen. Der Küchentisch voll mit Waagen, Redlinetütchen, Manilakuverts. Sie wogen das Zeug ab, schabten es in die Tütchen, mischten es mit Fruchtzucker – erhöhten so die Menge locker um zehn bis zwanzig Prozent – während sie Jorges Erfolge in den Vororten und JW s Londonreise diskutierten.
    Nach einer Weile meinte Jorge: »Ich bin noch nie von jemandem gerettet worden. Ich wär gestorben, wenn du nicht gekommen wärst.«
    JW dachte: Das stimmte. Hätte er Jorge damals nicht im Wald aufgelesen, zusammengeschlagen und schwer misshandelt, wie er war, dann wäre der Chilene vermutlich tatsächlich gestorben. In seinem Inneren erkannte er sich selbst nicht wieder, wurde sentimental, weil er etwas richtig Gutes vollbracht hatte.
    JW grinste: »Schon okay, wir erledigen hier alles doch letztlich nur auf Order von Abdul, oder?«
    »Nein ernsthaft,
Hombre,
du hast mir das Leben gerettet. Das werd ich dir nie vergessen.« Jorge schaute auf. Sein Blick war standhaft, ernst, vielsagend. Er fuhr fort: »Ich werd alles für dich tun, JW . Immer. Vergiss das nicht.«
    JW hatte sich damals nicht viel daraus gemacht. Aber heute, auf dem Weg zur Bank in der Nybrogata, kam ihm der Gedanke wieder in den Sinn. Es fühlte sich irgendwie gut an, dass ein Mensch auf der Welt alles für ihn tun würde. Eine Art Geborgenheit. Vielleicht sogar echte Freundschaft.
    Er entschied sich, vor dem Bankbesuch eine Kleinigkeit zu essen. Ging ins Café Cream in der Nybrogata und bestellte ein Ciabatta mit Salami und Brie sowie eine Cola.
    Er saß allein auf einem hohen Hocker am Fenster und schaute hinaus. Die Welt der High Society war klein. Er kannte mehr als jede dritte Östermalmbraut im Alter zwischen neunzehn und vierundzwanzig, die draußen vorbeiging. Dasselbe bei den Typen im Alter um die fünfundzwanzig – Männer in Anzügen, die er ansonsten im Kharma oder Laroy traf, dort allerdings in Jeans, aufgeknöpftem Hemd, Sakko und mit einer Gier nach Cola im Blick. Das Einzige, was im Moment übereinstimmte – die nach hinten gegelten Frisuren. Er dachte: In welcher Welt hatte eigentlich Camilla gelebt? In den dunklen oder hellen Ecken des Stureplan?
    Das Ciabatta kam. JW öffnete es und entdeckte sein Pech. Normalerweise war er ein Allesesser. Nachdem er von zu Hause ausgezogen war, hatte er schnell gelernt, das meiste zu mögen, das, was viele andere stehenließen: Hering, Sushi, Kaviar, eingelegte Zwiebeln. Inzwischen gab es nur noch zwei Dinge, die er nicht mochte: Kapern und Sellerie. Im Ciabatta – Salat mit Kapern. Im Salat – Selleriestücke.
    Verdammt.
    Er brauchte zehn Minuten, um das Zeug herauszupulen.
    Dann aß er zügig, während er eine Partie Schach auf seinem Handy spielte.
    Er trank die Cola aus, ließ die Hälfte des Ciabattas liegen, bezahlte und verließ das Lokal.
    Grüßte zwei Typen, die ihm entgegenkamen. Kneipenbekanntschaften.
    Er ging die Nybrogata noch ein Stück weiter hoch. Zu seiner Linken lag die Markthalle – JW kaufte jetzt immer öfter dort ein.
    Die Drehtüren am Eingang der SEB bewegten sich nicht automatisch. Man musste sich sozusagen selbst hineinschieben.
    Sobald er sich im Gebäude befand, griff JW nach dem zweiten Plastikfutteral mit den fünfzig Riesen in seiner Tasche.
    Er zog eine Wartenummer. Es war nahezu leer, obgleich sich einige Geldautomaten und Geldwechselautomaten in den Räumen befanden.
    Die Bildschirme mit den Börsenkursen wurden gerade aktualisiert. JW betrachtete sie.
    Dann kam er an die Reihe.
    Er schaute sich um; es konnten

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