Spür die Angst
sie bei den Kühlhallen in Empfang nehmen. Sobald die Fahrer das Feld geräumt hätten, würden der Araber, JW und Jorge sich daran machen, die Kohlköpfe aufzuschneiden und die Cola umzupacken. Sie wegschaffen, umladen. Schweres Geld damit verdienen.
Was Abdul hingegen nicht wusste, war, dass JW das hinterhältigste Mitglied der fünften Kolonne des Jahrzehnts war. Er hatte Nenad über jedes einzelne Detail ihres Plans informiert. Ihrer Absprache zufolge würde Nenad eine Waffe bei sich tragen und sobald die Situation es zuließ, die Kontrolle übernehmen, die Leute möglicherweise fesseln, inklusive JW , und die Ladung einkassieren. Das Ganze würde zügig und völlig unkompliziert vonstattengehen.
Spätestens dann würde Abdulkarim mit seinem Drogenlatein am Ende sein.
Und keiner würde auf die Idee kommen, JW dafür verantwortlich zu machen.
Ein souveräner Plan.
Am Morgen hatte Abdulkarim ein letztes Briefing durchgeführt. Ausladende Gesten mit der ganzen Hand gemacht, als sei er jemals beim Bund gewesen. JW , Jorge, Fahdi und Petter waren aufgekratzt, aber gut vorbereitet und vor allem – potentielle Kokainmillionäre.
Der Araber ging die Regeln noch einmal durch. Neue SIM -Cards in neuen Handys waren eine Selbstverständlichkeit. Direkt nach dem Abladen der Paletten sollten die Geräte und Karten zerstört werden, und Abdulkarim würde neue Handys austeilen. Sie mussten alle Handschuhe tragen – die althergebrachte Art, Fingerabdrücke zu vermeiden. Fahdi konnte im Auto Polizeifunk hören – die einfachste Methode, um zu verfolgen, was die Bullen wussten, und wenn sie etwas wussten – wohin sie unterwegs waren. Sie würden Jeans und blaue Sweatshirts tragen – die meisten hatten keine Ahnung, dass Kriminaltechniker blaue Baumwollfasern hassten. Denn es war im Prinzip unmöglich, diese Fasern mit einer speziellen Person in Verbindung zu bringen, da es sich hierbei um die am häufigsten vorkommende Textilfaser handelte, die Menschen hinterließen. In den Hosentaschen hatten sie Masken, für den Fall, dass die Bullen anrückten, und sie selbst noch einmal davonkämen, denn dann wäre es von Vorteil, wenn möglichst keiner ihre Gesichter erkannte.
Schließlich, als sie schon fast auf dem Sprung waren – JW kam es wie ein schlechter Scherz vor –, machte Abdulkarim seinen letzten Zug: Er ließ Fahdi Waffen an Jorge und JW austeilen.
»Ihr werdet die Dinger brauchen, Jungs. Wie die Typen in England. Wir sind keineswegs schlechter als sie. Denn jetzt gilt’s. Wenn die Bullenärsche versuchen sollten, uns die Sache zu vermasseln, greift ihr ohne zu zögern zu den Knarren.«
JW bekam eine schwarze Pistole. Sie glänzte. Sah gefährlich schön aus. Er saß auf Abdulkarims Sofa und wog sie in der Hand. Eine Glock 22 . Fahdi zeigte ihm, wie sie funktionierte – die Sicherung, der Extra-Trigger mit Safetymechanismus und das Magazin. Dann demonstrierte er, wie man sie richtig hielt – um den Rückstoß abzufangen.
Jorge hingegen bekam einen Revolver. Er nahm es ziemlich cool.
JW überkamen gemischte Gefühle – ein Mix aus Furcht und Begeisterung.
Jorge war ziemlich still. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und maulte, dass er sauschlecht geschlafen hätte. Seine Haare waren glatter als sonst. JW dachte: Hatte er etwa vergessen, seinen Lockenstab zu benutzen?
Sie parkten außerhalb der Tore an der Umzäunung von Arlandas Güter- und Frachthalle. Warteten auf die beiden LKW . JW auf dem Fahrersitz, Jorge neben sich. Der Chilene starrte missmutig aus dem Fenster.
Der Wagen, in dem sie saßen, roch neu.
Nach zehn Minuten wandte Jorge sich JW zu. Er hatte einen eigenartigen Gesichtsausdruck. Sehr nachdenklich und gleichzeitig müde.
» JW , hast du eigentlich eine Schwester?«
JW zögerte die Antwort hinaus. In seinem Kopf tauchten die chaotischsten Fragen auf. Warum fragte Jorge danach? Wusste er möglicherweise etwas über Camilla? Hatte ihm Sophie irgendetwas erzählt?
JW nickte schließlich. »Ja, ich hab ’ne Schwester. Warum?«
Jorge antwortete: »Ach, nichts Besonderes. Wollt’s nur wissen. Hab nämlich auch ’ne Schwester. Paola. Hab sie nach der Flucht erst einmal gesehen. Ziemlich blöd. Ich trag sie immer bei mir.«
JW verlor das Interesse. Jorge wollte nur palavern. Er schien die Camilla-Geschichte also nicht zu kennen. Wusste nicht, dass seine Schwester verschwunden und vorher mit ihrem Komvuxlehrer zusammen gewesen war, der ihr Spitzennoten im Austausch gegen Sex gegeben
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