Spür die Angst
niemanden mit dem Namen Sergio Salinas Morena. Rief Bobban an: Ihm sagte der Name etwas. Er meinte zu wissen, dass der Typ noch in der Gegend von Sollentuna wohnte. Wusste aber nichts Genaueres.
Die Straße war schlecht ausgeleuchtet. Ratko erledigte ein paar Telefonate mit alten Freunden aus Märsta und Sollentuna und fragte sie nach Sergio. Mrado erstaunlich unkonzentriert. Hatte nicht den Nerv, Ratkos Telefongespräche mit anzuhören. Er war müde. Dachte an Lovisa. Bald würde es Zeit für die mündliche Verhandlung beim Amtsgericht sein. Annika wollte noch nicht mal mehr, dass er seine eigene Tochter alle zwei Wochen für einen Tag traf. Verdammter Mist.
Sie rasten über die Autobahn dahin. Mrado war schon unzählige Male zu schnell gefahren. An eine Situation jedoch erinnerte er sich besonders gut: als Lovisa geboren wurde. Akuter Kaiserschnitt. Er war mit ein paar Kumpels auf der Trabrennbahn Solvalla gewesen. Hatte einen Anruf von Annika bekommen, dass die Wehen eingesetzt hätten, das Fruchtwasser aber noch nicht abgegangen sei. Woraufhin sie im Krankenhaus anrief. Sie rieten ihr: Warten Sie noch eine Weile, bis die Wehen regelmäßiger kommen. Mrado blieb auf Solvalla. Warum sollte er auch nach Hause fahren, wenn es noch nicht so weit war? Auf dem Rückweg von dort rief er zu Hause an. Keiner ging ans Telefon. Er wurde unruhig. War sie etwa gefahren, ohne ihm etwas zu sagen? Auf dem Küchentisch lag ein Zettel:
Bin nach Huddinge gefahren. Es musste schnell gehen.
Mrado lief zurück zum Auto. Legte einen Kavalierstart hin. Fuhr mit hundertsiebzig Sachen ins Krankenhaus nach Huddinge. Legte sich wie ein Rennwagen in die Kurven. Machte sich mehr Sorgen als jemals zuvor in seinem Leben. Rannte den langen Weg bis zum Eingang des Krankenhauses. Als er ankam, völlig durchgeschwitzt, war Lovisa schon geholt worden. Ihr Herzrhythmus war immer langsamer geworden – keine Zeit zu verlieren. Bevor Annika betäubt wurde, hörte sie noch, wie der operierende Arzt an den Rest des Ärzteteams appellierte, dass ihnen noch fünf Minuten blieben. Vom Akutfall zum Katastrophenkaiserschnitt. Mrado kam zu spät zur Geburt seiner eigenen Tochter: Das würde er sich selber niemals verzeihen. Aber die zwei Stunden danach waren zwei der besten in seinem Leben – in einem angrenzenden Raum mit Lovisa, dreitausendeinhundertdreißig Gramm auf seiner Brust liegend. Sie vergrub ihr Köpfchen unter seinem Kinn. Berührte seinen Hals mit ihrem winzigen Mund. Schien sich zu entspannen. Annika war nach dem Schnitt noch nicht wieder wach. Nur Mrado und Lovisa – so, wie es eigentlich auch jetzt sein sollte. Wie es vielleicht werden könnte, wenn er das Handtuch warf. Diesen Scheiß hier hinter sich ließ.
Ratko stieß ihn an. »Hallo, hörst du nicht zu?«
Ratko hatte einen Tipp bekommen. Sergio Salinas Morena jobbte als Autokurier und wohnte im Alléväg in Rotebro.
Mrado trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Sie fuhren an Sollentuna vorbei. Folgten der E 4 nach Norden. Bogen nach links in den Stäketväg ab.
Der Puls raste. Die Spannung stieg. Mrado war gut drauf.
Salinas Morena wohnte im dritten Stock. Sie schauten zu den Fenstern hinauf. Im dritten brannte in sechs von neun Fenstern Licht. Drei Wohnungen auf jeder Etage. Mindestens ein Fenster in jeder Wohnung war erleuchtet. Höchstwahrscheinlich waren alle Bewohner zu Hause. Das Gebäude sah heruntergekommen aus. Draußen wurde es bereits dunkel, aber die misslungenen Graffiti konnte man noch erkennen. Die Farbe an den Außenwänden blätterte ab.
Ratko stellte sich unten in den Hausflur. Mrado ging hoch. Klingelte und hielt gleichzeitig einen Finger auf das Guckloch.
Eine Frauenstimme in der Wohnung rief irgendwas auf Spanisch.
Nichts geschah. Mrado klingelte noch einmal.
Ein Mann öffnete. Mrado betrachtete ihn. Circa fünfundzwanzig Jahre alt. In schwarzem T-Shirt mit großflächigem Aufdruck: weißer Text in gotischen Lettern,
El Vatos Locos.
Verschlissene Jeans. Dunkles Haar. Arrogante Ausstrahlung. Glaubte er, er sei in Los Angeles, oder was?
Sergio schaute Mrado fragend an. Sagte nichts. Zog die eine Augenbraue hoch. Bedeutung: Und wer zum Teufel bist du?
Mrado warf an Sergio vorbei einen Blick in die Wohnung. Ein Flur mit drei Türen. Aus einem Zimmer Geräusche von einem Fernseher. Die Frau, die er durch die Tür gehört hatte, war nirgends zu sehen. Ansonsten alles schäbig und hässlich. Nackter Kunststoffbelag auf dem Boden. Einige Poster an den
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