Spuk aus dem Jenseits
erst in der zweiten
Hälfte der kommenden Nacht liegt das an. So ab 0.59 Uhr, wie du meintest.“
Tim nickte. „Die Aktion als
solche, ja. Aber Friedhöfe sind unbeleuchtet. Besser, wir sehen uns jetzt die
Örtlichkeit an. Damit wir nachts nicht umherstolpern und unabsichtlich Gräber
verwüsten.“
Das leuchtete ein.
Sie radelten zurück zur
Bohmallee-Straße, kamen aber nicht mehr am Bestattungs-Institut vorbei, sondern
fädelten sich ein weiter westwärts, wo der Radweg nur an wenigen Stellen
zugeparkt war.
Etwa hier, zehn Drahtesel-Minuten
vor dem Friedhof, bemerkte Tim den Wagen zum zweiten Mal.
Er fiel nicht auf. Er war
nichts besonderes.
Olivgrüner Kastenwagen mit
kleinen Fenstern. Getönte Scheiben, also nicht zum Hineinglotzen. Der Fahrer
hatte zusätzlich die Sonnenblende herabgeklappt.
Hm! Der TKKG-Häuptling belebte
die Bilder in seinem Kurzzeit-Gedächtnis. War das der Wagen, der eben beim
FIRENZE geparkt hatte — knappe 100 Schritte entfernt?
Warum auch nicht, dachte Tim.
Parken darf man dort. Und er verfolgt uns ja nicht. Nein, er fährt vorbei.
Der Wagen überholte, fuhr
vorschriftsmäßiges Tempo und verschwand hinter der nächsten Kurve.
Tim dachte nicht länger darüber
nach.
Sie radelten und radelten —
hintereinander selbstverständlich. Nebeneinander — das erhöht die Unfallgefahr.
Die Gegend wurde stiller — ausgenommen die Raserei auf der Bohmallee-Straße.
Hier im Weichbild der Weltstadt überwogen Gärten und kleine Häuser. Dann
erreichten die Kids den West-Friedhof, vor dem ein großer Parkplatz angelegt
war. Hundert Fahrzeuge oder mehr schmorten in der Mittagsglut.
Ganz am Ende, wo hinter
Haselnuß-Sträuchern Brachland begann, entdeckte Tim den olivgrünen Kastenwagen.
Na, wenn schon! Vielleicht weinte der Fahrer an irgendeinem Grab, oder er
tauschte welke Blumen aus gegen frische.
Die Kids sicherten ihre
Drahtesel durch Aneinanderketten und gingen durchs Tor.
Ein riesiger Friedhof.
Abgegrenzt von Mauern und Zäunen.
Sehr grün. Viele Büsche und
Sträucher. Auch Bäume. Ein verzweigtes Wegenetz, numeriert mit Zahlen und Buchstaben.
Hecken umgaben Container, wo pflanzliche Abfälle auf Entsorgung warteten — auch
vertrocknete Kränze mit Schleifen und Papierblumen sowie zerbrochene Vasen und
Butterbrotpapier mit Picknick-Resten. Denn manche Oldies, vornehmlich die
weiblichen, pflegen bei Schönwetter an ihren Gräbern zu sitzen, stundenlang.
Und mancher bringt sich dazu seine Mahlzeiten mit.
Jörg führte.
Die Gruft der Familie Demonius
befand sich im hinteren Teil, den Hunds-Rose- und Goldregen-Sträucher
abtrennten. Etliche Grüfte gab’s hier. Manche sahen aus wie Mini-Kapellen,
andere wie Ziegelstein-Backöfen, die früher in ländlichen Gegenden üblich
waren.
Jörg blieb stehen vor der
Demonius-Gruft.
Sie maß etwa neun Quadratmeter
Grundfläche, war übermannshoch und hatte Marmor-Wände in Braunrot. Das gieblige
Dach war mit Ziegeln gedeckt, an der schweren Metalltür ein wuchtiges Kreuz
angebracht. Sie lief oben aus in leichter Rundung. Das Schloß wirkte stabil.
Tim musterte die Grabplatten an
der Frontmauer.
Demnach ruhten hier: Heinrich Felshart
Demonius, Henriette Demonius-Lachsack, Johanna Demonius und Dr. Albrecht —
Jörgs Stiefvater.
„Die Eltern“, erklärte Jörg,
„eine ältere Schwester. Und er. Übrig ist keiner mehr.“
„Wie sieht’s hinter der Tür
aus?“ fragte Klößchen.
„Eine Treppe führt runter. Die
Gruft liegt unter dem Erdboden. Ein auszementierter Kellerraum mit vier Särgen.
Zwei oder drei haben noch Platz. Aber ich wüßte niemanden, der sich dazulegen
will. Mama bestimmt nicht. Außerdem ist sie noch jung.“
„Stabile Tür“, meinte Tim. „Und
damit eins klar ist: Kaputtmachen werden wir nichts. Null Beschädigung. Weder
am Gemäuer noch am Sarg. Wir hinterlassen nicht den Hauch einer Spur. Karl,
sieh mal nach! Du bist Schlüsseldienst-Experte.“
Karl verfügt nicht nur über ein
Computer-Gehirn, sondern auch über eine Schlüssel-Sammlung. Nach eigener
Schätzung sind es über 700. Darunter viele Dietriche.
Er untersuchte das Schloß.
„Kein Problem. Dafür habe ich
was Passendes.“
Damit war die Vorbesichtigung
abgeschlossen.
Sie gingen zum Eingang zurück.
Karl setzte sich ab, fuhr
erstmal heim, um das benötigte Einbruch-Werkzeug zu holen.
Treffen wollte man sich nachher
in Jörgs Elternhaus, der Demonius-Villa. Eine Bezeichnung, die Elsa und ihr
Sohn nicht mehr benutzten. Nur noch bei den
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