Spur der Flammen. Roman
über die verfügten nur wenige Männer von Welt und Geld. Ihr Vater, obwohl verarmt, gehörte auch dazu. Diese Kraft rührte aus der Seele und strahlte wie eine Sonne. Charisma. Sie hatte sich aus dem Bann ihres Vaters geflüchtet, aber dann war sie in Philos Bann geraten. Aus eigenem Antrieb, wie sie sich selbst einredete, schließlich wollte sie an seiner Macht teilhaben. Und daran hielt sie fest, nachdem sie einmal zu der Überzeugung gelangt war, dass ein weißhaariger Jebediah Frobisher aus Kentucky nichts war im Vergleich zu dem reichen, distinguierten weißhaarigen Texaner.
In ihren Anfangsjahren als Betrügerin hatte Jessica die Kunst perfektioniert, menschliche Körpersprache, Gesichtsausdrücke und Stimmen zu deuten. Sie konnte beinahe Gedanken lesen, und ihr aktueller Eindruck von Philo sagte ihr, dass er etwas Großes vorhatte. Es war aus seiner Anspannung und dem Feuer in seinen Augen zu lesen. Sie hatte dieses Feuer auch in den Augen ihres Vaters brennen sehen, der an die baldige Wiederkunft Christi glaubte und täglich damit rechnete, Jesus auf seiner Türschwelle vorzufinden.
Was nun aber Philo und seine geheime Bruderschaft im Schilde führten, war ihr immer noch nicht klar.
Sie hatte auf diskretem Wege bei Branchenkollegen Erkundigungen über Philos Erwerbungen eingeholt, und das Ergebnis traf sie wie ein Schock.
Die Hopi-Prophezeiungen, von Thomas Banacyca persönlich verfasst. Die früheste Fassung von
Black Elk Speaks.
Die heimlichen Predigten von Paramahansa Yogananda. Die Parabeln von Johannes Septimus, von eigener Hand geschrieben. Ein Buch aus dem zwölften Jahrhundert mit den Visionen von Hildegard von Bingen. Eine Privatsammlung der Schriften von Thomas Merton.
Von all diesen Werken hatte Jessica nie zuvor gehört.
Und alle waren religiösen Inhalts.
Nun wurde es Zeit für den Reserveplan und die Festung, die in Raymond von Toulouses Brief erwähnt wurde.
Sie wusste, dass Ian Hawthorne von Philo angeheuert worden war, den
Stern von Babylon
zu stehlen, und sie wiederum hatte Ian einen noch höheren Preis dafür geboten, um den Stern oder was immer es war, als Köder für Philo zu benutzen. Ian wollte sie auf dem Laufenden halten, aber sie hatte noch keine Nachricht von ihm. Also musste Plan B in Aktion treten, besagter Brief von Raymond von Toulouse. Und sie musste Philo wissen lassen, dass sie im Besitz dieses kostbaren Briefes war.
Zunächst galt es jedoch, alles über die geheime Bruderschaft herausfinden, von der Raymond sprach.
Man hatte Jessica im Dorf vor dem Betreten der Festung hoch in den Pyrenäen gewarnt. Ein böser Zauber ginge dort um, hieß es, die Mönche verehrten Satan. Wie sollte sie das abhalten? Die halbe Welt betete den Teufel an. Dann wieder sagte man, der Weg zur Festung sei versperrt. Das hielt sie ebenso wenig ab. Es gab immer Mittel und Wege. Schließlich hieß es, die Festung würde bewacht. Die Wachen kümmerten Jessica noch weniger, schließlich verfügte sie über eine versteckte Waffe, von der die Dorfbewohner nichts ahnten.
Sie fürchteten sich vor den Mönchen, hatten das Kreuz geschlagen und gesagt: »Gehen Sie nicht da hinauf, die beten den Satan an.«
Philo hatte ihr nie das Gefühl vermittelt, dass er den Teufel verehre, und doch hatte er bei der einen oder anderen Gelegenheit Dinge gesagt wie: »Beten ist reine Zeitverschwendung. Keiner hört zu.« War er ein Atheist? Wenn einer nicht an Gott glaubte, wie konnte er dann an den Satan glauben?
Wie oft seht ihr die Mönche?, hatte sie die Dorfbewohner gefragt.
Nie.
Kommen sie denn nicht ins Dorf, um einzukaufen?
Einmal im Monat landet ein Hubschrauber in der Festung und bringt Vorräte.
Jetzt wurde Jessica einiges klar: Die Mönche mieden die Läden im Dorf, und so etwas führte unweigerlich zu Ressentiments. Aus Ressentiments erwuchs Hass, und Hass führte zu Furcht.
Als sie ihren königsblauen Lamborghini Diabolo auf den Bergpass zulenkte, erhaschte Jessica dann und wann einen Blick auf die Türme und Giebel der mittelalterlichen Burg inmitten der herben Gebirgslandschaft. Und während Buchen- und Eichenwälder an ihr vorbeizogen, sie in immer luftigere Höhen weitab jeder Zivilisation getragen wurde, lächelte sie zufrieden in sich hinein.
Sie war kurz davor, Philos Geheimnis zu lüften.
Glenn hatte den Militärjeep ebenfalls entdeckt und fing an zu rennen. Er hatte Candice schlafend allein im Lager zurückgelassen.
Der Jeep, ein verbeultes Fahrzeug mit drei abgerissenen,
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