Spur der Flammen. Roman
Krankenstation wurde sie auf ein Bett mit frisch gestärkten Laken gelegt. Mit seinen kahlen Wänden, den Holzregalen mit Flaschen und Tiegeln darauf, schien der Raum aus einer anderen Zeit zu stammen, als gehöre er zu einer mittelalterlichen Apotheke. Sie griff mit nassen Fingern nach der Hand des Krankenwärters und sah den Ekel in seinem Blick. Er stürzte zum Waschbecken, zog sich den Goldring vom Finger und wusch sich hastig die Hände. Dann ging er nach draußen, um zu telefonieren. Die Frau sollte mit einem Hubschrauber in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht werden.
Als er zurückkam, fand er das Bett leer bis auf ein kleines rundes Kissen, das er noch nie gesehen hatte. Die Frau war verschwunden.
Und mit ihr, zu seinem Entsetzen, sein Goldring.
»Warum hast du angehalten?«
Glenn schlug mit der Faust auf das Lenkrad. »Wir haben kein Benzin mehr. Wir müssen zu Fuß weiter.«
Mitten in der Wildnis, Wind und Sonne, Sand und Schlangen ausgesetzt und mit der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Soldaten im Rücken. Wortlos schulterten sie die Schlafsäcke und Candices Rucksack. Ohne Nahrung und mit nur einer Flasche Wasser für zwei stapften sie Richtung Norden in die Wüste hinein.
Jessicas feuerrote Haare flatterten wie ein Siegesbanner im Wind, als der blaue Lamborghini Diabolo über die gewundene Bergstraße talwärts raste. Sie glühte geradezu, triumphierte innerlich ob der Entdeckung, die sie in der Festung gemacht hatte. Nachdem sie sich aus dem Krankenzimmer gestohlen hatte, war sie durch ein Labyrinth von Gängen und Räumen geschlichen und dabei immer wieder auf Bücher, Schriftrollen, Manuskripte, Briefe und Monografien gestoßen. Wohl wissend, dass die Mönche sie suchen würden, hatte sie sich nicht lange damit aufgehalten, die einzelnen Titel genauer in Augenschein zu nehmen – einer hatte genügt.
Es war ein Papyrus, zwischen zwei Glasplatten versiegelt, der sie so in Bann zog, dass sie beinahe entdeckt worden wäre. Auf dem Blatt daneben die mit der Schreibmaschine getippte französische Übersetzung des aramäischen Textes: DER VERSCHOLLENE SCHLUSS ZUM MARKUSEVANGELIUM .
Dann war sie gerannt, in ihr Cabrio gesprungen und davongefahren, bevor die Mönche sie aufhalten konnten.
Wie im Rausch fuhr sie an ländlicher Idylle mit Bauernhäusern, Gänsen und Kühen vorbei, ohne etwas davon wahrzunehmen. Vor ihrem Auge standen einzig die getippten Worte, als seien sie ihr in die Netzhaut gebrannt:
C 14 -Analyse, infrarotes und
ultraviolettes Spektrometer, Graphologie. Beglaubigtes Datum: plus/minus 40 n.Chr.
Von diesem Dokument hatte Jessica noch nie gehört. Das älteste bekannte Fragment war fünfzig Jahre später datiert. Aber dieses hier war nur zehn Jahre nach der Kreuzigung Jesu verfasst … In ihrem Kopf drehte sich alles, zugleich hätte sie vor Freude juchzen mögen. Jetzt wusste sie, worauf Philo es angelegt hatte. Er wollte die absolute Macht über die Welt.
Denn das verschollene Ende des Markusevangeliums, wenn es denn echt war, würde die katholische Kirche in die Knie zwingen.
Und das war erst der Anfang.
Kapitel 22
U nter einem Himmel, der aussah, als würde er nie wieder blau werden, kämpften sie sich über ein in eintöniges Beige getauchtes Plateau, das mit seinen steil aufragenden Felsen wie eine Mondlandschaft wirkte. Um die Mittagszeit wölbte sich, einem schimmernden Krummsäbel gleich, das Segment eines Regenbogens über der Ebene. Wolken ballten sich zusammen, verästelte Blitze zuckten auf, gefolgt von nachhaltigem Donnergrollen. Ein Regenschauer, vermischt mit Hagel, prasselte nieder, harte Kügelchen, die sofort im Sand versickerten. Candice und Glenn suchten zwischen einer Gruppe von großen Felsblöcken Schutz; als der Regen abzog, stapften sie weiter.
»Wieso habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, dass es so kommen könnte?« Candice nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. »Ich bildete mir ein, Ian zu kennen.«
»Aber was passiert ist, war unmöglich vorauszusehen.«
Sie schaute Glenn an. »Du meinst, es waren nicht die beiden Fahrer, die den Einsturz der Höhle verursacht haben? Sondern Ian?«
»Höchstwahrscheinlich hat er die Männer ausbezahlt und zurück nach Palmyra geschickt.«
»Damit er die Tafeln an Philo verkaufen kann.« Sie war verbittert und wütend, dass Ian sie hintergangen hatte.
Der Wüstenwind strich um sie herum. Candice überlief ein Frösteln, auch weil ihr manches klar wurde. Lenore Masters’
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