Spur der Flammen. Roman
hatte die Demonstration im Buddhistenkloster in guter Erinnerung.
Jetzt wusste er auch, wie er mit Jessica verfahren würde.
Kapitel 25
K apitän Stavros fand die Sache von Anfang an suspekt.
Während er im Ruderhaus seinen Aufgaben nachging, konnte er seine beiden seltsamen Passagiere unauffällig beobachten. Schon die erste Nacht der vorgeblich frisch Vermählten – der Gentleman hatte sich im Schiffssalon aufgehalten, bis die Lichter in ihrer Kabine ausgingen, und am nächsten Tag hatte der Steward ihm gesteckt, dass sie beide in getrennten Betten geschlafen hätten – die Dame in der Koje, der Herr auf dem Sofa. Ein Zwist unter Liebenden? Waren sie womöglich gar nicht frisch verheiratet, es sei denn, die Welt hätte sich gravierend verändert, seit er seiner eigenen süßen Maria vor Jahren den Hof gemacht hatte.
Zugegeben, der erste Tag auf See, die Dame fühlte sich nicht wohl, und das konnte bisweilen zu kleinen Differenzen führen. Aber ein Päckchen Ingwerpuder, von Stavros höchst persönlich empfohlen, wo er doch als erfahrener Seemann jedes Mittel für Seekrankheit kannte, hatte dann doch Wirkung gezeigt. Trotz alledem hatte ihr Ehemann diese Nacht und die darauf folgende im Salon mit Patiencespiel verbracht, derweil der Kapitän und seine drei Offiziere sich bei Ouzo und Zigarren gütlich taten, und hatte sich erst auf den Weg gemacht, als die Kabinenlichter erloschen waren. Spielten sie womöglich ein Spiel? Wie Liebende es manchmal taten? Die Dame wartete im Dunkeln und so weiter? Schon möglich, dachte Stavros bei sich, andererseits hatte er so ein Gefühl, dass der Gentleman eher darauf wartete, bis die Dame sich entkleidet hatte und ins Bett geschlüpft war, bevor er sich im Dunkeln seiner Kleider entledigte und in das Notbett kroch.
Stavros sah sie gelegentlich auf dem Achterdeck promenieren – nicht etwa Händchen haltend, wie er sofort bemerkte – und dabei so leise redend, dass man nichts davon mitbekam. Manchmal saß die Dame auch ganz für sich in ihrem Deckstuhl, betrachtete Keramikstücke oder schlug in einem Buch nach, hielt hin und wieder inne und machte sich Notizen, während ihr schweigsamer Ehemann an der Reling stand und auf die Wellen starrte, als würde er seine Seele darin finden. Dann und wann las er in einem Buch mit smaragdgrünem Einband, das wie ein Tagebuch aussah. Es musste von einiger Bedeutung sein, mutmaßte der griechische Kapitän, wenn so oft darin geblättert wurde.
Aber wen scherte es, ob sie frisch verheiratet waren? Im Grunde niemanden, solange man sich nicht fragte, warum sie sich überhaupt so eine Geschichte ausgedacht hatten.
Glenn stand an Deck und schaute in den klaren Nachthimmel. Mithilfe des Kapitäns hatte er Ians Satellitentelefon aktivieren können und als Erstes die letzten Nummern anzuwählen versucht, die Ian Hawthorne gespeichert hatte. Dummerweise hatte Ian alle Nummern aus dem Speicher gelöscht.
Daraufhin kontaktierte Glenn Maggie Delaney in seiner Dienststelle in Los Angeles. Sie war in seiner Abwesenheit mit dem Mordfall seines Vater betraut.
»Wir waren in heller Aufregung«, erklang ihre Stimme glasklar über den Satelliten. »Warum haben Sie sich nicht gemeldet?«
»Das ist eine lange Geschichte. Schon Neuigkeiten zum Fall meines Vaters?«
»Absolut nichts. Wir können Philo Thibodeau nicht finden. Er ist verschwunden. Andererseits benimmt er sich seltsam. Er verkauft alle seine Besitztümer, seine Firmen, seine Aktien, liquidiert sein Finanzimperium, stößt sozusagen allen Ballast ab. Wallstreet reagiert nervös. Jeder glaubt, Thibodeau wisse etwas, von dem die Welt nichts weiß. Könnte das stimmen, Glenn?«
Glenn erwiderte nichts darauf. Ein Passus aus dem Brief seines Vaters kam ihm wieder in den Sinn.
»Philo hat Nostradamus verinnerlicht.«
»Maggie, sehen Sie bitte zu, ob Sie etwas über eine Prophezeiung des Nostradamus, Centurie VII , Vers 83 , herausfinden können. Und checken Sie außerdem, ob es zum gegenwärtigen Zeitpunkt irgendwelche ungewöhnlichen astrologischen Konstellationen gibt.«
Sie rief nach einer Stunde zurück. »Den genannten Vers gibt es nicht, Glenn. Und was das andere betrifft – ich habe die Astrologen bei der Los Angeles Times befragt. Sie sagen, Merkur sei bis zum zwanzigsten des Monats rückläufig, er wandert vom Steinbock zum Stier, mit dem Mond im Wassermann. Worum geht’s, Glenn?«
»Nur so eine Vermutung«, erwiderte er. »Beten Sie, dass ich falsch liege.« Er
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