Spur der Flammen. Roman
Sicherheitstür. Sie führte in eine kleine Halle mit einer Treppe und einem Fahrstuhl. Sie wählten den Fahrstuhl und fanden darin fünf Knöpfe: das bedeutete zwei Geschosse mehr über ihnen und, zu ihrer Überraschung, zwei Untergeschosse.
»Nach unten«, sagte Candice, aus dem unbestimmten Gefühl heraus, dass es weiter unten sicherer sei. Glenn drückte auf den Knopf.
Die Fahrstuhltür öffnete sich zu einem langen, holzgetäfelten Korridor mit Wandleuchtern. Es gab keine Türen. Als sie nicht mehr weiterkamen, fuhr Glenn mit der Hand über die Täfelung. »Dieses Gebäude ist umgebaut worden. Auf der anderen Seite der Wand ist ein Hohlraum«, sagte er und dachte dabei an die Geheimgänge jener Tage, da die Schlossherren zu nächtlicher Stunde gewisse Damen aufzusuchen pflegten.
Bei ihren weiteren Erkundungen fanden sie heraus, dass das Schloss wie ein Labyrinth angelegt war: Es gab plötzlich auftauchende Korridore, Türen, die ins Nichts führten, aufsteigende Treppen, absteigende Fahrstühle, ein einzigartiges Gewirr von Gängen, die irgendwo endeten. Die Türen, die sich als echt herausstellten, waren entweder verriegelt oder führten in verlassene Räume – meistens Bibliotheken oder Archive –, aber ein Raum überraschte sie doch: ein ansprechend möbliertes Zimmer, das von einem Kronleuchter und einem prasselnden Kaminfeuer erhellt wurde. Mit den tiefen Ledersesseln, den Jagdtrophäen an den Wänden und den passenden Jagdgewehren in der Glasvitrine vermittelte es den Eindruck eines Clubzimmers. Trotz des Kaminfeuers und der Beleuchtung befand sich niemand in dem Raum.
Sie hasteten weiter.
Als sie wieder in einem toten Gang landeten und sich einen anderen Weg suchen mussten, fragte Candice: »Wozu so ein Labyrinth?«
»Aus Sicherheitsgründen. Das war das Beste, was sie in jener Zeit tun konnten. Diebe konnten zwar herein, aber sie fanden nicht mehr heraus.«
Sie kamen an ein Messingschild.
»Vollendet A. D. 1825 . Entworfen von Frederick Keyes. In Memoriam – Jeremy Lamb.«
Candice schaute sich unbehaglich um. »Glenn, hast du nicht auch das Gefühl, dass wir beobachtet werden?«
»Ich spüre es, seit wir unseren Fuß auf diese Insel gesetzt haben. Und ich habe auch eine Ahnung, wer uns beobachtet.«
Der Geheimgang verlief mitten durch das Schloss, und nur ein Mensch wusste, wo er anfing und wo er endete. Philo Thibodeau, der gerade durch den dunklen Gang eilte. Im Schein seiner Taschenlampe hatte seine weiße Bekleidung etwas Geisterhaftes. Der letzte Teil seiner geheimen Aufgabe war erledigt.
Ein prüfender Blick auf die Leuchtdioden seiner Armbanduhr. Die Sprengvorrichtungen waren installiert, der Countdown hatte begonnen. Präzises Timing war alles. Die Bomben mussten absolut synchron gezündet werden.
Ein Schauer hoffnungsvoller Erregung erfasste ihn.
Bald, Lenore …
Ihr Weg durch das labyrinthartige Schloss führte Candice und Glenn zu noch mehr verschlossenen Türen, über Treppen, die im Nichts endeten und in verlassene Räume.
Schließlich standen sie wieder vor einer Stahlsicherheitstür, auch diese verriegelt. Aber es gab ein kleines Fenster, durch das sie spähen konnten. Sie schauten auf einen riesigen, hell erleuchteten Raum mit Arbeitstischen, elektronischem Gerät, Mikroskopen und Reagenzgläsern. An einer rundum verglasten Kammer hing ein Warnschild:
Warnung! Staubfreier Raum! Nur mit Schutzanzügen und -masken betreten!
Menschen jeden Alters und jeder Nationalität, in Jogginganzügen oder in weißen Laborkitteln, verrichteten schweigend ihre Arbeit und bewegten sich dabei emsig zwischen Werkbänken und Geräten hin- und her. Es ging zu wie in einem Bienenstock.
Candice wollte nicht glauben, was sie da sah: Da wurden Statuen restauriert, Analysen an Papyri vorgenommen, Maschinen brummten, Lämpchen blinkten und …
»Dr.Stillwater!« Sie stand an einem Arbeitstisch voller Tonstücke und machte sich auf einem Klemmbrett Notizen. »Und das da sind die Tontafeln von Dschebel Mara!«
Besorgt zog Glenn Candice von der Tür weg. »Wir müssen Philo finden, bevor man
uns
findet. Komm!«
Sie kamen zu einer Bibliothek, die bis unter die Decke mit Regalen voller seltener antiquarischer Kostbarkeiten bestückt war. Den Buchtiteln nach zu schließen, ging es hier um ein anderes Thema: »Der Jüngste Tag!«, rief Candice aus mit dem unguten Gefühl, dass sie beobachtet wurden. »Geht es darum bei diesem Geheimorden? Um das Ende der Welt?«
In Glenns Augen
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