Spur der Flammen. Roman
kräuselte.
Im Schutz der Bäume schlichen sie geduckt weiter zur Nordseite des Schlosses, wo sie auf einen altertümlichen Rundturm mit schmalen Fensterschlitzen und zinnenbewehrtem Dach stießen. Er musste zeitlich vor dem Schloss errichtet worden sein, das Schloss war gewissermaßen ein Anbau. Sie setzten ihre Erkundungstour fort. Auf der Rückseite des Schlosses befanden sich die Reste eines alten, mittlerweile ausgetrockneten Wassergrabens. Durch sein Fernglas konnte Glenn eine dunkle Stelle im Mauerwerk ausmachen.
»Was meinst du? Könnte das eine Öffnung sein?« Er reichte Candice das Fernglas.
»Vielleicht ein ehemaliger Abwasserkanal. Und bestimmt voller Ratten.« Schon bei dem Gedanken gruselte ihr.
Unvermittelt riss Glenn sie an sich und küsste sie fest auf den Mund.
»Das bringt Glück«, meinte er und nahm sie bei der Hand.
Gemeinsam sprangen sie über den Graben und hangelten sich zu der Maueröffnung hoch. Sie war größer als erwartet. Drinnen roch es feucht und modrig. Glenn ließ den Strahl seiner Taschenlampe über Boden und Wände wandern. Sie befanden sich in einem Gewölbekeller aus gemauertem Ziegelstein. »Sieht wie eine Art Lagerraum aus«, murmelte Glenn. Im hinteren Teil entdeckten sie im Lichtkegel der Lampe eine schwere Holztür.
Der Boden des Gewölbes war uneben und glitschig. Trotz ihrer Jacken fröstelten Glenn und Candice in der eiskalten Luft, ihr Atemhauch bildete kleine Wölkchen. Glenn leuchtete mit der Taschenlampe die Holztür und den Boden ab. Dann kniete er sich hin und untersuchte die Kratzspuren auf den Steinplatten. »Diese Tür ist schon lange nicht mehr benutzt worden«, stellte er fest.
Er fasste den gewaltigen Türgriff mit beiden Händen und zog daran. Knarrend schwang die Tür auf.
Ein ekelhafter, fauliger Geruch schlug ihnen entgegen. Sie erwarteten Männer in Kettenhemden zu sehen, die ihre Schwerter schärften und sich für die Schlacht fertig machten. Doch da war niemand, nur eine steile Steintreppe, die sich nach oben wand.
Während sie sich mit den Händen an der Wand entlangtasteten, erklommen sie Stufe um Stufe. Oben angekommen, standen sie wieder vor einer Holztür, die sich aber leichter öffnen ließ.
Vor ihnen lag ein düsterer, verlassener Korridor. Nach wenigen Metern gelangten sie an eine Gabelung.
»Wenn mein Orientierungssinn mich nicht trügt«, meinte Glenn, »liegt der neuere Teil des Schlosses, das Haupthaus, in dieser Richtung.« Er schwenkte die Taschenlampe nach links.
Sie spitzten die Ohren. Nur entferntes Quieken und Huschen von Nagetieren war zu hören. Und ganz in der Ferne das einsame Tuten eines Nebelhorns.
»Glenn«, sagte Candice mit angstvollem Blick. »Was für eine Art Laboratorium könnte das hier gewesen sein? Warum hat die Gesundheitsbehörde es schließen lassen, und was hat Philo damit zu tun?«
Sie folgten dem nach links abgehenden Korridor und standen alsbald vor einer schweren Eisentür mit der Aufschrift
Warnung! Für Unbefugte kein Zutritt!
Glenn drückte probeweise gegen die Tür, sie schwang lautlos auf.
Vor ihnen öffnete sich ein hallenartiger Raum, dessen hinteres Ende sich irgendwo außerhalb der Reichweite ihrer Taschenlampen in der Dunkelheit verlor. Die Luft war auffallend trocken. In dem Raum selbst herrschte eine angenehme Temperatur. Und Totenstille.
Vorsichtig traten sie ein, ließen das Türschloss mit dem leisest möglichen Klicken einschnappen. Die Lichtkegel ihrer Taschenlampen erhellten ein höchst verwunderliches Interieur: Es gab keine Fenster, und der glänzende Linoleumboden und die Halogen-Deckenstrahler passten so gar nicht zu dem altertümlichen Erscheinungsbild des Schlosses. Statt der erwarteten Ritterrüstungen und mittelalterlichen Tapisserien reihten sich stählerne Aktenschränke und Rollcontainer von der Sorte an den Wänden, in denen gewöhnlich Blaupausen oder Kunstdrucke aufbewahrt wurden. Sie reichten bis unter die Decke, sodass man an die obersten Schübe nur mittels einer Rollleiter gelangte. Die Stahlschränke waren so tief, dass zwischen ihnen gerade noch ein Durchgang blieb.
»Was ist das hier bloß?«, fragte Candice verwundert. Die Schubladen und Schränke trugen keinerlei Aufschrift.
Kurz entschlossen wandte Glenn sich einem Stahlschrank zu seiner Linken zu und zog an der Griffleiste eines der Schübe. Zu seiner Überraschung glitt die Schublade geräuschlos heraus.
»Die Schränke sind nicht verschlossen. Offensichtlich hat der Besitzer keine Angst
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