Spur der Flammen. Roman
zu gehen. Eine Frau protestierte. Eine Hispano-Amerikanerin mit langen, silbergrauen Zöpfen und einer Haut wie altes Elfenbein bestand darauf, Señor Glenn sprechen zu dürfen. »Da!« Sie stürzte auf ihn zu. »Lo siento«, sagte sie. »Tut mir so Leid.«
Glenn legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm. »Alles in Ordnung, Mrs.Quiroz. Es war nicht Ihre Schuld. Unfälle passieren halt.«
»Ich so aufgeregt, wenn ich sie anrief. Ich nicht nachgedacht. Ich es Ihnen hätte sagen müssen. Und dann mein Mann kommen und mich nach Hause bringen.«
Glenn versuchte sie zu beschwichtigen. »Mir was sagen müssen, Mrs.Quiroz?«, fragte er behutsam.
»Señor Glenn, ich es Ihnen sagen wollen und vergessen. Ihr Vater hat eine Brief geschrieben, bevor er gestürzt ist. Ich sehe Brief und stecke weg. Ich sehe Ihre Name darauf. Steht ›Lieber Glenn‹, also ich weiß, es ist besonders. Ich denke, vielleicht Polizei kommt und mitnimmt. Also ich verstecke. Aber
Dios mios,
weiß nicht mehr, wo!«
»Nicht so schlimm, Mrs.Quiroz. Ich werde ihn finden.«
»Ich wollte ihn sichern.«
»Warum dachten Sie, der Brief würde nicht sicher sein?«, fragte Glenn. Und dann: »Mrs.Quiroz, warum dachten Sie, die Polizei würde den Brief mitnehmen?«
»Weil Ihr Vater«, sie bekreuzigte sich, den Rosenkranz am Handgelenk. »Señor Glenn, da noch jemand mit ihm da oben auf der Treppe.«
Glenn erstarrte. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich arbeite spät, müssen Sie wissen. Der Professor mir sagen, ich soll nach Hause gehen, aber ich verspreche noch sauber machen, war Dreck auf dem Küchenboden von Regen. Der Professor schreiben Brief. Dann höre ich Türglocke. Sie hinaufgehen, ich weiß nicht, wer. Und dann höre ich Streit, wissen Sie? Professor ist aufgeregt. Und dann ein Geräusch wie Donner. Ich renne und finde ihn auf dem Boden und höre Schritte rennen raus.«
»Mrs.Quiroz.« Glenn bemühte sich um eine gefasste Stimme.
»Was genau wollen Sie damit sagen?«
»Ihr Vater nicht gestolpert. Der Professor diese Treppe hundertmal am Tag gegangen. Er vorsichtig. Er nicht fallen. Señor Glenn, Ihr Vater
gestoßen
worden.«
Kapitel 7
E r rannte.
So schnell er konnte. Bis an die Schmerzgrenze. Bis seine Lungen brannten. Verschärfte noch das Tempo, erhöhte den Steigungswinkel, trieb sich selbst bis an seine Grenzen.
Jemand versuchte, seinen Vater zu ermorden.
Der Schweiß troff Glenn von der Stirn und vom Hals und rann ihm über den Körper. Die Hände zu Fäusten geballt, die Arme rhythmisch wie Kolben schlagend, hämmerten seine Füße auf das Laufband. Selbst die Maschine klang jetzt angestrengt, als ob sie sich ebenfalls ihren Grenzen näherte.
Diese unbändige Wut, als er Mrs.Quiroz hatte sagen hören, »er wurde gestoßen.« Genau da, mitten auf dem Krankenhausflur, wäre Glenn am liebsten explodiert, hätte seinen Gefühlen freien Lauf lassen mögen ohne Rücksicht auf die Folgen. »Sind Sie sicher?«, hatte er stattdessen zurückgefragt und noch weitere Fragen gestellt. Sich Notizen gemacht. Nach außen hin ruhig und gefasst, innerlich brodelnd wie ein Vulkan.
Und dann hatte er bemerkt, dass Philo Thibodeau sich nicht mehr im Gedränge vor der Intensivstation befand. Glenn hatte sofort das Beverly Hills Hotel angerufen. Hier war kein Philo Thibodeau registriert. Daraufhin hatte Glenn mit seiner Dienststelle telefoniert und einen Beamten angewiesen, sämtliche Hotels in Beverly Hills und Los Angeles abzuklappern. »Finden Sie Philo Thibodeau.«
Danach hatte er Candice Armstrong nach Hause gebracht. Die rosafarbene Kamee in ihrer Halsbeuge hatte gebebt, als sei die erhabene Göttin darauf selbst in Rage. Zunächst hatte Glenn sich vergewissert, dass er Candice unbesorgt im Haus ihrer Mutter zurücklassen konnte, dass der Streifenwagen postiert und alle Fenster und Türen verriegelt waren, ehe er sie ihrem Schicksal überließ. Etwas blass um die Nase hatte sie ihn mit einer noch dunkleren Stimme und den Worten, »Finden Sie den Täter, Detective«, verabschiedet.
Jetzt forcierte er noch das Tempo auf dem Laufband, stellte den Steigungswinkel auf die höchstmögliche Stufe, forderte seine letzten Reserven. Wenn er jetzt zu laufen aufhörte, würde er geradewegs ausrasten.
Letzter Stand der Dinge: kein Philo Thibodeau in irgendeinem Hotel in Beverly Hills oder Los Angeles registriert. »Überprüft die Flughäfen«, hatte Glenn angeordnet.
Und dann, Volltreffer! Los Angeles International Airport meldete, ein Privatjet von
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