Spur der Flammen. Roman
fanden es cool. Danach war ich nur noch der Normalfall.«
Von wegen Normalfall, dachte sie im Stillen. Stattdessen fragte sie: »Gefällt Ihnen Ihr Beruf?«
Es war keine Frage des Gefallens, dachte er. Kriminelle zu jagen lag ihm im Blut, in jedem Atemzug, den er tat. Und er würde auch nie in den Ruhestand gehen, sondern bei irgendeinem Einsatz mit der Polizeimarke am Revers sterben. »Muss er wohl«, sagte er. »Nach zwanzig Jahren.«
»Ist er gefährlich?«
»Er hat auch seine heiteren Momente.« Er erkannte winzige Spuren von Angst in ihren Augen und befand, dass sie selbst einen heiteren Moment brauchte. »Als ich noch Streife fuhr, jagte ich mit meinem Kollegen einem betrunkenen Fahrer auf dem Pacific Coast Highway hinterher. Wir stellten ihn und warfen ihm Trunkenheit am Steuer vor. Der Kerl war eindeutig betrunken, behauptete aber, er sei es nicht und verlangte, dass ich es beweise. Ich deutete auf die obere Hälfte eines Ampelpfostens, der quer über seiner Motorhaube hing.«
Candice lächelte. Als sie nach ihrem eiskalten Orangensaft griff, blieb ihr Blick erneut an dem Familienportrait über dem Kamin hängen. »Das ist vor dreißig Jahren an Weihnachten gemalt worden«, erläuterte Glenn. »Meine Mutter, mein Vater – nun ja, Sie kennen ja den alten Herrn. Und ich, mit acht Jahren.«
Das Gemälde faszinierte sie. Der Professor mit vollem schwarzen Haar und schwarzen Augen, ein bemerkenswert gut aussehender Mann. Und neben ihm der lächelnde Knabe in Anzug und passender Krawatte, wie ein kleiner Gentleman. Seine rechte Hand ruhte auf der Linken, der sechste Finger war deutlich zu sehen. Aber es war die Frau, die Candice in Bann schlug. Glenns Mutter, die gewaltsam getötet worden war. »Sie ist umwerfend«, hörte sie sich sagen.
»Sie war Mathematikprofessorin. Meine Eltern teilten dieselbe Leidenschaft, kleine Partikel zu finden und zu größeren Wahrheiten zusammenzusetzen: Mein Vater hantierte mit Ton- und Papyrusfragmenten, meine Mutter mit Ziffern und Zahlen.«
Er hielt einen Moment inne, als müsste er zu einer Entscheidung gelangen, dann tat er etwas Überraschendes. Er streifte sich den Goldreif vom rechten Ringfinger. »Der gehörte meiner Mutter.« Er reichte ihn Candice.
Jetzt sah sie, dass es kein Ehering war. Aber Glenn trug den Ring verdreht, sodass der Schmuckstein nicht zu sehen war: ein traumhaft schöner quadratischer Rubin mit Goldfäden drüber, wie gesponnene, züngelnde Flammen. Auf der Innenseite des Rings verlief eine Inschrift.
Candice las:
Fiat Lux.
»Es werde Licht.«
»Meine Mutter hatte mir immer gesagt, dass er eines Tages mir gehören würde. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ›eines Tages‹ so viel näher lag als sie dachte.« Glenn nahm den Ring wieder und steckte ihn an.
Er trat ans Fenster. Als er die Vorhänge aufzog, blickte Candice auf einen kleinen Balkon mit Topfpflanzen. Dahinter tanzten und schimmerten die Lichter der Großstadt.
»Sie wurde erschlagen«, sagte er, mit dem Rücken zu ihr. »Ich war damals siebzehn. Sie kam gerade aus einem Lebensmittelgeschäft, als ein Kerl sie mit einem Hammer niederschlug, ihre Handtasche packte und wegrannte. Ein Zeuge meinte, der Täter sei ein männlicher Weißer, groß und dünn, vielleicht blond, vielleicht kahlköpfig, gewesen. Es war alles so schnell passiert. Die Polizei ging sehr methodisch vor. Es brauchte Monate mühevoller Arbeit, aber sie fanden den Kerl und er gestand die Tat.«
Glenn wandte sich um. »Meine Mutter wurde durch einen willkürlichen, zufälligen Gewaltakt getötet. Ich muss wissen, warum. Klingt das plausibel?«
Candice konnte ihn verstehen. Schließlich war ihr Vater in einem sinnlosen Krieg gefallen. »Wie haben sie ihn gefunden?«
»Der Hammer hat sie auf die richtige Spur geführt. Sie haben das Gebiet in konzentrischen Kreisen durchforstet und fanden einen Werkzeugschuppen. An dem Hammer klebten Blut und Haare. Von meiner Mutter. Der Zeuge, der die Tat beobachtet hatte, erkannte den Mann bei einer Gegenüberstellung. Der Mann bekam lebenslänglich und starb im Gefängnis. Ich hatte gerade mit meinem Studium an der UCLA angefangen und wollte eigentlich dem Vorbild meines Vaters folgen, aber nach diesem Erlebnis entwickelte ich so eine fixe Idee von Gerechtigkeit und Verbrecherjagd. An meinem achtzehnten Geburtstag habe ich mitten im Semester mein Studium geschmissen und mich bei der Polizei von Los Angeles gemeldet.«
Und seither haben Sie dunkle Verbrecher gejagt.
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