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Spur der Flammen. Roman

Spur der Flammen. Roman

Titel: Spur der Flammen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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draußen die Freuden der wechselnden Jahreszeiten genossen hatte, der Romanzen und Festlichkeiten, während man den sich überall bietenden Lustbarkeiten gefrönt, Kinder gezeugt, untereinander gestritten hatte und gestorben war, war Christofle hinter steinernen Mauern ebenso verschimmelt wie die Bücher in seiner Obhut. Er war ein verbitterter alter Mann geworden.
    Und dies war sein dunkles Geheimnis, der wahre Grund, weshalb er gen Jerusalem zog.
     
     
    Auch Alarich träumte.
    Es waren Albträume, in denen er Margot immer wieder aufs Neue tötete, auch wenn er versuchte, seine Hand am Zustechen zu hindern, und dann schweißgebadet und jedes Mal entsetzt und erschüttert hochschreckte. »Ich schließe die Augen, aber der Schlaf hat kein Erbarmen mit mir«, beklagte er sich bei Christofle. »Meine Lider sind von Schlaflosigkeit verklebt, aber immer sehe ich ihre schöne Gestalt, ihre Lippen, ihr Haar. Wie sie lächelte, wenn ich sie berührte, die Flammen, die durch mich hindurchschossen, wenn ich ihre nackten Brüste streichelte. Nie habe ich sie mehr begehrt als jetzt, da ich weiß, dass ich sie für immer verloren habe.«
     
     
    Der zusammengewürfelte Tross erreichte die Stadt Mainz, wo sich die unüberschaubare Menge von Pilgern aus verschiedenen Regionen Lothringens, aus Ostfrankreich, Baiern und Alemannien mit mehr als fünfzehntausend bewaffneten Fußsoldaten vereinten und von dort aus gemeinsam zunächst ins Königreich Ungarn aufbrachen. Es war eine Armee von nicht mehr zu zählender Stärke, die da frohgemut gen Jerusalem zog, eine gewaltige Menschenwoge, unterwegs auf prächtigen Pferden oder in Eselskarren zusammengepfercht oder zu Fuß, Ritter in Rüstung und Helmbusch, Bauern in Lumpen, Frauen, die ihre Röcke rafften und Beine zur Schau stellten, auch Kinder sowie Vieh und Schafe, Hühner und Hunde, und immer noch mehr gesellten sich hinzu, ballten sich, so weit das Auge reichte, zusammen wie eine Gewitterwolke, beseelt vom gemeinsamen Gedanken an die Schlacht, die ihnen bevorstand, an die Beute und Reichtümer und Belohnungen und an die Gnade Christi.
    Im ungarischen Königreich angelangt, schlugen sie in einer Flussebene ihr Lager auf, um auf weitere Verstärkung zu warten.
    Der König hieß sie willkommen und gestattete ihnen, sich mit lebenswichtigen Gütern einzudecken. Friedliches Verhalten auf beiden Seiten war oberstes Gebot, schon weil der König argwöhnte, von einer so großen Armee könnten schnell Übergriffe ausgehen. Und tatsächlich wurden die Lagernden unruhig, als sich das Eintreffen christlicher Truppen aus dem Süden tagelang verzögerte. Sie ergaben sich maßloser Trinkerei und brachen den befohlenen Frieden. Die meisten Ritter und Prinzen zogen die ihnen unterstehenden Männer zur Rechenschaft, nur Alarich scherte sich weder um die Disziplin seiner Soldaten noch um ihre Bedürfnisse. »Männer müssen unter einem Banner reiten, Herr«, beschwor ihn Christofle, »um für eine gemeinsame Sache zu kämpfen.« Er hätte gern hinzugefügt: »Sie brauchen einen Anführer, der sie im Griff hat«, behielt das aber für sich.
    Missmut und Enttäuschung stiegen in ihm auf, wenn er durch das ausgedehnte Lager streifte und andere Alexandrier beobachtete, Männer, die sich eigentlich den hehren Regeln ihres Ordens entsprechend hätten verhalten sollen, stattdessen jedoch mit einfachen Soldaten dem Wein zusprachen, herumhurten und sich dem Spiel ergaben. Wieder und wieder versuchte er, sie an ihren Auftrag zu erinnern, aber sie hatten nichts für die Leiden und Opfer ihrer Vorfahren übrig, hassten das geschriebene Wort und verachteten Bücher. Einige griffen zu Prügeln, vertrieben Christofle und riefen ihm nach, sich tunlichst nicht wieder blicken zu lassen.
    Als den ungeduldigen Kreuzträgern bewusst wurde, dass der Weg ins legendäre Jerusalem sehr viel weiter war als ursprünglich angenommen, beschlossen sie, sich an den Ungarn schadlos zu halten. Sie raubten ihnen Wein, Korn, Schafe und Vieh, und wer Widerstand leistete, wurde getötet. Erneut verhängten Herzöge und Edelmänner Strafen und stellten die Disziplin unter ihren Leuten wieder her, während sich Alarichs Gefolge noch rabiater, hemmungsloser und arroganter gebärdete.
    Niemand wusste zu sagen, wie es zum Eklat gekommen war, und die späteren Aufzeichnungen enthielten allerlei Widersprüchliches, weil die Chronisten – gebildete Männer, die vorgehabt hatten, in aller Ruhe am Rande des Schlachtfelds zu sitzen und

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