Spur ins Eis
Ein Honda Civic. Ein Ford Explorer. Rachaels Jeep Cherokee. Bei jedem Wagen war das Fenster auf der Fahrerseite eingeschlagen. »Sie können es nicht sehen, aber im rechten Vorderreifen steckte bei allen Autos ein Nagel.«
»Das ist also ein …«
»Ein immer wiederkehrendes Muster, ja.«
»Wurde jemals eine dieser Frauen gefunden ?«
Kalyn schüttelte den Kopf. »Ihr Wasser kocht.«
Will stand auf und nahm zwei Tassen aus dem Schrank.
»Ich habe Pfefferminz, grünen Tee und Earl Grey.«
»Pfefferminz, bitte.« Will hängte die Teebeutel in die Tassen, und als er langsam kochendes Wasser darüber goss, sagte Kalyn : »Ich glaube, ich weiß, wer diese Frauen entführt hat.«
Will stellte den Topf wieder auf den Herd und schaltete das Gas aus. Seine Hände zitterten.
Er starrte zu Boden und holte tief Luft. »Sie glauben ? Oder wissen Sie es ?«
»Ich bin mir zu etwa achtzig Prozent sicher. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie waren Strafverteidiger. Sind Sie vertraut damit, wie Kartelle arbeiten ?«
»Sicher.«
»Haben Sie jemals von den Alphas gehört ?«
Will trat mit den Tassen an den Tisch und setzte sich wieder. »Nein, was ist das ?«
»Früher war das eine Antidrogen-Einsatztruppe des FBI , die Special Air Mobile Force Group. Es waren mexikanische Soldaten, aber sie wurden in der School of the Americas ausgebildet. 1991 desertierte ein großer Teil dieser Elitetruppe und begann, Geschäfte mit Drogenhändlern zu machen. Die Profitspannen waren vermutlich zu groß und verlockend. Heute sind sie unter dem Namen Alphas bekannt, eine Bande hoch bezahlter Söldner, die vor allem die Kokain-, Heroin- und Marihuana-Lieferungen schützen, die vom Golf-Kartell nach Amerika geschmuggelt werden. Niemand weiß, wie viele es sind, aber man schätzt sie auf etwa hundert bis zweihundert Mitglieder. Sie sind hervorragend ausgebildet und arbeiten eher wie Militärs. Sie sind äußerst loyal und bestens ausgerüstet. Die modernsten Waffen, militärische Strategien und Taktiken. Und sie sind brutal. Zur Zeit bieten sie Prämien von fünfzigtausend Dollar für die Ermordung von amerikanischen Polizisten an.
Ich habe Kontakte und Informanten in jeder Grenzstadt im Südwesten, und ich habe erfahren, dass sich einige Alphas auch mit Menschenhandel befassen. Es ist ungeheuer schwer, fast unmöglich, an Informationen über sie zu kommen. Mein Informant in Nogales wollte noch nicht einmal den Namen dieses einen Typen laut aussprechen. Er bestand darauf, ihn auf einen Zettel zu schreiben. Und selbst das hätte er nicht gemacht, wenn ich ihm nicht zwei Riesen dafür bezahlt hätte.«
»Was für ein Name ?«
»Javier Estrada. Kennen Sie ihn ?« Will schüttelte den Kopf. »Sind Sie sicher ? Haben Sie ihn nie vertreten oder …«
»Nein. Haben Sie ein Foto ?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Und wieso glauben Sie, dass die Alphas etwas damit zu tun haben ?«
»Aus mehreren Gründen.« Kalyn trank einen Schluck Tee. »Zum einen hat mich an den Tatorten immer etwas gestört. Kein Blut und abgesehen von dem eingeschlagenen Fenster keine Anzeichen für Vergewaltigung oder Gewaltanwendung. Und es schien immer äußerst professionell gemacht worden zu sein. Außerdem haben wir nie eine Leiche gefunden. Das hat mich immer schon zur Verzweiflung gebracht. Wenn diese Frauen einfach nur getötet und verscharrt worden wären, dann hätte doch zumindest eine Leiche mittlerweile mal auftauchen müssen, meinen Sie nicht auch ? Serienmörder wollen doch eigentlich, dass ihre Opfer entdeckt werden, aber diese Frauen sind buchstäblich vom Erdboden verschwunden.«
Will lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und pustete auf seinen grünen Tee.
»Wieso sind Sie so sicher, dass es dieser Javier sein muss ?« Der Name gefiel ihm nicht, als er ihn aussprach.
»Mein Informant war früher Kurier für das Golf-Kartell und hat unter anderem ein paar Mal für Mr Estrada gearbeitet. Er sagte, einmal habe Javier ihm bei einer Flasche Mescal erzählt, dass er sich auf der I-40, zwischen Gallup und Albuquerque eine Frau geschnappt habe.«
»Suzanne Tyrpak.«
»Ja.«
»Und warum haben Sie ihn nicht festgenommen ?«
»Das ist ein bisschen komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht.«
Will trank einen Schluck Tee. »Sie brauchen etwas von mir«, sagte er. Kalyn nickte. »Sie sagen, Sie kennen seinen Namen nicht, und ich glaube Ihnen. Aber vielleicht würde es ja Klick machen, wenn Sie ihn sähen. Sie müssen mit mir nach Phoenix kommen
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