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Spur ins Eis

Spur ins Eis

Titel: Spur ins Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Farmhaus war umgeben von Blautannen und lag etwa zwei Kilometer südlich des Ortes. Hinter dem Haus war eine Wiese, und der Mancos River bildete die östliche Grenze des Anwesens. Wenn er im Frühjahr Hochwasser hatte, hörten sie sein Rauschen bis ins Haus.
    Mittlerweile dämmerte es. Durch die offenen Fenster drang die Abendluft herein und brachte den Duft von verwelkendem Laub und sauren Äpfeln mit sich.
    Das Mädchen holte die Kopfkissen aus dem Wandschrank, während er die DVD vorspulte. Sie waren kurz vor dem Ende von Vertigo . Filme machten die Therapie für sie erträglicher, und auf diese Art hatten sie mehr als dreißig Hitchcock-Filme gemeinsam angeschaut. Der Mann setzte sich hinter seine Tochter, und sie legte sich nach vorne auf ein Kissen und beobachtete, wie Jimmy Stewart Kim Nowak in dem unheimlichen grünen Licht des Hotelzimmers küsste.
    Mit hohlen Händen begann er ihr auf den Rücken zu schlagen. Nach fünf Minuten sagte er ihr, sie solle husten. Dann wechselten sie die Position, und sie legte sich auf die Seite.
    Schon kurz nach ihrer Geburt hatten er und seine Frau angefangen, sie »salziges Baby« zu nennen, denn wenn sie sie auf die Stirn küssten, schmeckte sie nach Salz. Das erwähnte seine Frau zufällig beim Kinderarzt, und er ließ unverzüglich einen Schweißtest durchführen, der sich als positiv herausstellte. Damals wussten sie es noch nicht, aber übermäßiges Schwitzen ist ein Hauptanzeichen für Mukoviszidose.
    Ihre Tochter war zwei, als die Krankheit bei ihr diagnostiziert wurde, und jeden Tag in den letzten vierzehn Jahren hatte der Mann bei seiner Tochter die Physiotherapie durchgeführt. Die Therapie löste den Schleim in den Lungen, machte es ihr leichter zu atmen und verhinderte Infektionen. Schon lange war die Therapie ein Bestandteil ihrer täglichen Routine geworden, wie Zähneputzen.
    Als sie fertig waren, setzte sich das Mädchen an den Küchentisch und machte Hausaufgaben. Der Mann ging nach draußen. Der Truck war in der letzten Zeit so laut und wurde viel zu heiß, wahrscheinlich war ein Ölwechsel längst überfällig. Er kroch unter den Wagen und kämpfte, auf dem Rücken liegend, mit dem Verschluss. Ab und zu fuhr ein Auto auf der nahen Landstraße vorbei, aber meistens war es still.
    Der Abend wurde kälter, als der Mond über den Hügeln aufging. Gelegentlich fuhr der Wind durch die Tannen. Die Kühe auf der Nachbarfarm brüllten den Mond an. Ihre Glocken klirrten.
    Endlich hatte er die Schraube gelöst, und das verbrannte Öl floss in die Unterlegschale.
    Da kam schon wieder ein Auto, das dritte in den letzten zehn Minuten. Heute war aber viel Verkehr !
    Jetzt wurde das Auto langsamer. Er hörte, wie es am Ende seiner Einfahrt anhielt. Ein Stadtwagen. Vielleicht ein Mietwagen, auf jeden Fall keiner der tuckernden Diesel, die seine Nachbarn fuhren.
    Die Reifen knirschten auf dem Kies. Was zum Teufel ? Er wand sich unter dem Truck hervor und stand auf, die Hand über den Augen, um sie vor den Scheinwerfern des näherkommenden Autos abzuschirmen.
    Das Auto hielt hinter seinem Chevy. Der Motor ging aus, die Scheinwerfer erloschen. Einen Moment lang konnte er nichts sehen, weil das Licht ihn geblendet hatte. Eine Tür ging auf. Wurde zugeschlagen. Schritte kamen auf ihn zu. Der Mann dachte : Jetzt sitzt du in der Scheiße. Ich hätte doch heute Nachmittag abhauen sollen, einen Koffer packen und hier verschwinden sollen. Er wich zurück, als sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    »Sie haben mich mit Ihren Scheinwerfern geblendet«, sagte er, »deshalb sehe ich im Moment nicht besonders gut. Wer ist da ?« Die Schritte hielten an. Er sah jetzt die Umrisse seiner Besucherin. Das Licht von der Veranda fiel auf ihr Gesicht.
    Es war die Frau, die seine Tochter nach der Schule angesprochen hatte.
    »Tut mir leid, dass ich Sie geblendet habe«, sagte sie. »Ich bin mindestens dreimal an Ihrem Briefkasten vorbeigefahren, bevor ich ihn gesehen habe.«
    »Wer sind Sie ?«
    Sie streckte die Hand aus. »Kalyn Sharp.« Sie war etwa so groß wie er, vielleicht ein paar Jahre jünger, mit glatten braunen Haaren und ausgeprägten Wangenknochen. Die Farbe ihrer Augen konnte er in dem schwachen Licht nicht erkennen. Er ergriff ihre Hand nicht.
    »Was wollen Sie ?«
    »Sind Sie William Innis ?«
    Adrenalin schoss durch seinen Körper. »Nein.«
    »Nun, ich habe ein Foto von Mr Innis in meiner Tasche. Sie könnten sein Zwillingsbruder sein.«
    »Sie müssen

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