Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
aufgezeichnet worden? Der Apparat machte keine Zeitangaben. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch des Schneiders, starrte ins Leere, dachte daran, wie ich den Mann in dem Wassertank gefunden hatte. Dean Canetti, Vater von Prinzessin Charlotte, ein Mann, der von oben hingerichtet worden war, dessen zerschmettertes Gesicht sich jetzt auflöste. Und die Männer in dem Auto, der Geruch.
In welcher Reihenfolge waren sie gestorben? Waren sie alle von ein und demselben Menschen getötet worden? Mit Unterstützung vielleicht, sagte Dave. Die äußeren Feinde von Black Tide? Hieß das Levesque?
Ich war müde, nickte ein.
Ein Klopfen an der Tür.
Ich setzte mich verwirrt auf. »Wer ist das?«
»Simone Bendsten.«
Sie war zum Ausgehen angezogen, Mantel mit hohem Kragen, offen, darunter etwas, das wie schwarzer Samt aussah, tief ausgeschnitten oben, kurz unten. Wahrscheinlich war es eine optische Täuschung, aber es sah aus, als bestünde Ms. Bendsten zu zwei Dritteln nur aus Beinen. War das etwas typisch Skandinavisches? Erblich? Nur eine empirische Studie könnte diese Frage beantworten.
»Ich wollte ihn schon unter der Tür durchschieben«, sagte sie und hielt einen gelben DIN -A4-Umschlag hoch.
Sehr anmutig in Samt. Anmut. Ich war müde.
»Ich habe die europäischen Datenbanken nach Secure International durchsucht. Also nach Generalmajor Gordon Ibell. Und habe eine Erwähnung schwedischer Herkunft gefunden, eine Firma namens Eagle Exprexxo, von der es heißt, sie sei an Waffentransporten nach Angola beteiligt gewesen. An die amerikanische Seite in Angola. An Unita. Jonas Savimbi.«
Jonas Savimbi. Wo der jetzt wohl sein mochte? Müde. Lange Tage und sportlicher Sex. Ein ausbalanciertes Leben, das war es, was mir fehlte. Kurze Tage und unsportlicher Sex. »Sie haben nach Secure International gesucht. Und sind auf Eagle gestoßen?«
»Zwei Mal sogar. Es gibt auch noch eine Erwähnung in der International Herald Tribune im Zusammenhang mit einem Fall, der in Frankreich noch die Gerichte beschäftigt. Es geht um Raketen, kleine Raketen, ich hab nicht wirklich Ahnung von Raketen. Sie wurden nach einem Unfall auf dem Freeway in einem Sattelschlepper gefunden. Der Besitzer des Fahrzeugs sagte, er sei von einer Firma namens Redan beauftragt worden. Redan sagt, sie hätten den Job von einer Agentur vermittelt bekommen, einer Frachtagentur. Die Agentur sagt, der Auftraggeber sei Eagle Exprexxo gewesen, sie hätten aber nichts Schriftliches darüber.«
»Gute Arbeit«, sagte ich. Ich hatte nicht viel davon verstanden.
»Ich habe noch mehr«, sagte sie. »Ich habe einen Artikel in einem amerikanischen Magazin gefunden.«
»In einem amerikanischen Magazin.«
Sie blickte mich besorgt an, besorgt um mich, kein Blick, zu dem ich Frauen gern Anlass gab.
»Sie sind müde, Jack. Wenn Sie wollen, können wir ein andermal weitermachen.«
Ich blinzelte ein paar Mal. »Gute Idee«, sagte ich. »Ich lese den Bericht, denk drüber nach.«
»Ein guter Nachtschlaf«, sagte sie, »wirkt Wunder.«
Ich brachte sie zur Tür. Das Atelier von McCoy gegenüber lag im Dunkeln, aber drinnen klimperte ein Klavier. Vermutlich machte der haarige Scharlatan irgendetwas zu der Musik, etwas, wozu man kein Licht brauchte.
Ich schloss die Tür ab, legte Simones Umschlag in meinen Safe, den mit Scharnieren versehenen zweiten Boden, den ich unter dem Tisch des Schneiders angebracht hatte, und ging nach Hause. Lyall anrufen, eine Suppe und dann ins Bett.
Ein alter VW blockierte meine Einfahrt, der Student von gegenüber. Ich verfluchte ihn, fuhr links um die Ecke und parkte in der Einfahrt meiner Vermieterin. Sie war in Queensland zum Sonnenbaden, gemeinsam mit all den anderen Melbourner Vermietern und Vermieterinnen. Ich nahm die Abkürzung über ihre Zufahrt und durch den dunklen Garten zur Mauer.
Die Hand schon an dem Holztor, das zu meinem Stall führte, blieb ich stehen, ein Kribbeln auf der Kopfhaut, irgendein vorzeitlicher Instinkt war geweckt.
Ich legte mein Auge an den breitesten Spalt zwischen den Brettern.
Wenn ich nach links sah, konnte ich meine Vordertür sehen, ein dunklerer Schatten in der düsteren Basaltsteinfassade, das Fenster links vom Türrahmen, rechts der nach vorne offene Holzschuppen mit seinem Schilderhäuschendach.
Nichts zu sehen. Ich entspannte mich, nahm das Auge von dem Spalt, fasste nach dem Torgriff.
Im Obergeschoss des zweistöckigen Hauses nebenan ging das Licht an.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher