Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Wohnung und den Treppenabsatz der Feuerleiter draußen vor der Küche. Man konnte die Wohnungstür auf der anderen Seite des Flures sehen. Ich schaltete ihn wieder aus und öffnete noch mehr Schränke, bis ich an die Alkoholvorräte kam. Das Weinregal enthielt drei Flaschen Coldstream Hills Pinot Noir, dann gab es noch Whisky, Wodka und Gin und, in einem kleinen Kühlschrank, vier Flaschen Carlsberg.
    Des folgte mir ins Schlafzimmer. Der Wäschekorb enthielt drei schmutzige Hemden, zwei Golfpolos, drei normale Hosen, Unterwäsche, alles mit Henry-Bucks-Label. Der eingebaute Kleiderschrank beherbergte eine stattliche Reihe teurer, konservativer Kleidungsstücke.
    »Der Junge hat einen guten Geschmack«, sagte ich. »Geschmack und Geld.«
    »Ich weiß, wo er das verdammte Geld her hat«, brummte Des. »Der Geschmack ist das Rätselhafte.«
    Ich warf einen Blick ins Arzneischränkchen im Badezimmer. Da enthüllt sich oft so manches. Garys Arzneischränkchen enthüllte mir nur, dass er unter Verdauungsstörungen litt und ein Sexleben hatte.
    Als Nächstes war der Schreibtisch dran. Nichts. Nur ein Block und zwei Stifte. Wo könnten seine Papiere sein? Ich sah an allen naheliegenden Orten nach, dann an den weniger naheliegenden. Nichts.
    Des begleitete mich auf seinen Aluminiumstock gestützt. »Nichts von dem Geld?«, fragte er.
    »Nichts.«
    Auf dem Schreibtisch stand ein Telefon mit integriertem Faxgerät. Ich nahm den Hörer ab und drückte auf Wahlwiederholung.
    Nichts. Die letzte Nummer, die von diesem Telefon aus gewählt worden war, war gelöscht.
    Das Licht am Anrufbeantworter blinkte. Ich drückte auf play .
    Sechs oder sieben Anrufe. Keine einzige hinterlassene Nachricht.
    »Als Sie angerufen haben, haben Sie da eine Nachricht hinterlassen?«, fragte ich Des.
    Er schüttelte den Kopf.
    Ich ging in die Küche zurück und steckte die Kassenzettel und Kreditkartenbelege ein. Auf dem Weg nach draußen warf ich einen Blick in den flachen Kasten unter dem Überwachungsmonitor. Er enthielt einen Videorekorder. Gary konnte seine Besucher aufnehmen. Wenn er sich die Mühe machte, ein Band einzulegen.
    Die Wohnungstür schloss sich lautlos hinter uns. Im Aufzug sagte ich: »Ich würde sagen, er ist schon eine ganze Weile weg.«
    Des schüttelte abfällig den Kopf. »Abgetaucht. Hab ich dir doch gesagt.«
    Vor dem Tor hielt ich ihm die Schlüssel hin. »Wollen Sie Garys Briefkasten leeren?«
    »Mach du das«, sagte er. »Meine Finger kriegen so was Fiddeliges nicht mehr hin.«
    Briefkasten Nummer fünf war leer.
    Draußen sagte Des: »Meinst du, du könntest mich nach Hause fahren?«
    »Kein Problem. Hat irgendjemand nach Gary gefragt?«
    »Mich nach Gary gefragt? Hätt er ja genauso gut ein verdammtes Schaf fragen können, wo der Hund hin ist.«
    Des wohnte im tiefsten Northcote, in der Nähe der Eisenbahntrasse. Als wir anhielten, kamen nebenan zwei junge Frauen nach Hause, beide ganz in Schwarz mit raspelkurz geschorenem, hell gebleichtem Haar, Nasenringen, beide mit Einkaufstüten aus Plastik. Die eine war einen ganzen Kopf größer als die andere. Des winkte ihnen begeistert zu. Sie winkten lächelnd zurück.
    »Nette Mädchen«, sagte er. »Und stark. Mähen mir den Rasen. Schiebemäher. Hab sie nie drum gebeten. Die kleine, wie heißt sie noch, hab grad den Namen vergessen, klopft eines Samstags an meine Tür, sagt, sie würde zum Training mähen, würde alles mähen, umsonst, und was mit meinem Rasen wär? Hatte schon drüber nachgedacht. Wollte irgendeinen Kerl dafür bezahlen, wenn ich das Geld zusammenkriegte. Wohnen 'ne Menge Mädchen hier in der Gegend. Eigentlich fast nur Mädchen. Verdammtes Paradies für einen jungen Kerl.«
    Ich hatte da so meine Zweifel, sprach sie aber nicht aus.
    »Haben Sie Telefon?«
    »Klar.«
    »Geben Sie mir die Nummer. Ich hör mich mal um und ruf Sie an.«
    Des musterte mich. »Bill wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte er kopfschüttelnd. »Hast aber kein Footy gespielt, oder?«
    »Nicht viel.«
    »Hab Fotos aus den alten Zeiten. Laurie Diggins hat die immer gemacht. Verrückter Kerl. An dem Tag auch, an dem Tag, als deine Mum uns vorgelesen hat. Wart mal. Ich hab was für dich.«
    Er stieg aus. Ich gab ihm die Aktentasche. Sah ihn den Weg entlanghinken und sich abmühen, den Schlüssel ins Schloss zu bekommen. Offen. Nein. Noch mehr Mühen. Kurze Pause.
    Ich hätte mit ihm gehen sollen, ihm helfen.
    Offen. Er war drin. In weniger als einer Minute kam er wieder heraus, mit