Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
von mir. Schläfst du immer noch mit dieser Frisörin, deren Mann mit dem Tattslotto-Gewinn auf und davon ist? Bei dem ich mich nicht so beeilen sollte, ihn zu finden? Oder vielleicht auch gar nicht finden sollte?«
Ein sehr viel längeres Schweigen. Im Hintergrund machten Männer Spielplatzgeräusche.
»Jack.« Er war kurz davor »Bitte« zu sagen. Das konnte ich nicht zulassen.
Ich seufzte. »Wann?«
»Der Flug kommt um 16 Uhr 40 an. Sagen wir 17 Uhr 45, pünktlich. Mrs. Davenport bleibt solange da.«
»Himmel, das ist natürlich ein Anreiz.« Ich machte eine kurze Pause. »Ich hab da was, was du für mich tun könntest.«
Er schwieg kurz. »Mein lieber Freund, du brauchst nur zu fragen.«
»Meine Güte«, sagte ich. »Apropos, deine Verantwortlichkeit wird sich fix einstellen müssen. Umsicht dürfte ja kein Problem sein. Ist ja deine zweite Natur.«
ch saß in Woottons Chefsessel, die Füße auf seinem lederbezogenen Schreibtisch, als das Vierergespann eintraf: Tony Ulasewicz, Wootton, die beiden Nutten von der Goldküste.
»Mein Anwalt, Jack Irish«, sagte Wootton. »Jack, darf ich dir Sylvia Marlowe und Carlette Foley vorstellen.«
Ich stand auf, um ihnen die Hand zu geben. Sylvia sah einer späten Audrey Hepburn auf Steroiden verblüffend ähnlich. Auf flachen Absätzen beinahe so groß wie ich, klare graue Augen, die einen direkt anblickten, glattes glänzendes dunkles Haar, beinahe kein Make-up, Haut eierschalfarben. Sie trug ein zweireihiges Nadelstreifenkostüm mit kurzem Rock, keine Bluse darunter, und ihre ganz besonders langen Beine waren nackt. Ich nahm an, dass sie die ehemalige Balletttänzerin war. Carlette hingegen sah aus wie eine Fünfkämpferin: gedrungen und drahtig, kurzgeschorenes rotes Haar, Sommersprossen, breitbeiniger Stand, weite schwarze Hosen, enges, ärmelloses schwarzes Top, das die muskulösen Arme sehen ließ. Sie strahlte Gesundheit und Fitness aus.
»Tony kennst du ja«, sagte Wootton. »Tony ist mit den Mädels runtergeflogen.«
»Mit den was?«, fragte Sylvia und sah Wootton an. Sie war einen halben Meter größer, stärker und viel, viel hübscher.
Wootton lächelte, strich sich mit dem Zeigefinger unter dem gepflegten Schnurrbart entlang. In der Stille war ein leises, raspelndes Geräusch zu hören. »Ha«, sagte er. »Entschuldigt den altmodischen Ausdruck. Sollte auf keinen Fall eine Beleidigung sein. Absolut nicht. Mit Sylvia und Carlette, zwei -«.
»Ich bin sicher, dass es jetzt alle verstanden haben, Cyril«, unterbrach ich ihn. »Ich schlage vor, du lässt mich jetzt mit Ms. Marlowe allein und bittest Mrs. Davenport, hereinzukommen und Ms. Marlowes eidesstattliche Aussage aufzunehmen.«
»Audio und Video«, sagte Wootton.
»Video?«
Wootton ging zum Tisch, winkte mich zu sich und zeigte auf zwei Knöpfe auf dem zweiten Regalboden im Bücherregal hinter seinem Stuhl. »Wenn du so weit bist, drückst du beide. Die Kamera ist auf den Klientenstuhl gerichtet. Drück wieder beide, wenn du fertig bist.«
»Sind Sie mit einer Videoaufnahme einverstanden, Ms. Marlowe?«, fragte ich.
Sie schien sich nicht sicher. »Wozu soll das gut sein?«
»Nur zur Sicherheit für den Fall, dass die Polizei Ihre Aussage anzweifelt«, erklärte Wootton. »Wir werden die Aufnahme nicht einsetzen, wenn wir nicht müssen. Aber es ist einfacher, als Sie noch einmal hier runter zu schaffen.«
»Warum mach ich nicht einfach gleich die Aussage bei den Cops? Und wir sparen uns das Ganze hier.«
»Sagen wir's mal so«, sagte Wootton, »wir sind nicht restlos davon überzeugt, dass die Polizeibeamten stets nur das Anliegen der Gerechtigkeit im Herzen tragen. Ich schicke Mrs. Davenport rein.«
Mrs. Davenport kam herein und bedachte Sylvia mit ihrem missbilligenden Internatsleiterinnen-Blick. Wie sehr ihre Patienten sie geliebt haben mussten, als sie noch Empfangsdame bei einem Spezialisten für übertragbare Geschlechtskrankheiten war.
Sylvia musterte sie kühl von oben bis unten. »Nun«, sagte sie, »da diese Mutter Oberin hier ist, können wir endlich anfangen?«
Beide Frauen waren klug und redegewandt, und Sylvia hatte eine angenehm humorvolle Art, die Welt zu sehen. Wir hatten viel zu lachen in den kaum fünfundvierzig Minuten, die die Aussagen dauerten. Von nun an ließe sich kaum mehr anfechten, dass Brendan O'Grady in der Nacht, in der Frank Zakia in Camberwell erschossen worden war, zwischen 21 Uhr abends und acht Uhr morgens die Gesellschaft von Sylvia, Carlette und
Weitere Kostenlose Bücher