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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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darunter: JOHN IRISH, BARRISTER & SOLICITOR .
    Der große Mann höchstselbst, Patrick Donelly, ein Italiener, gefangen im Leib, im korpulenten Leib, eines Iren, brachte uns das Essen. Seine Augen leuchteten auf, als er meinen Gast erblickte.
    »Guten Abend, Mr. Greer«, sagte er. »Zwei Mal in einer Woche, Irish. Das wird diese ungeheuerliche Rechnung von Ihnen dahinschmelzen lassen wie den Schnee des Friaul im Frühling.«
    »Oh, der Schnee ist noch dick und frisch und glatt in dieser frostigen Ecke des Friaul, Donelly. Bis zum Frühling dauert es noch ein Weilchen. Was ist das Gericht des Tages?«
    »In Ihrer glücklichen Lage, Irish, würde ich die Risotto-Törtchen mit Tomaten und roter Paprikasoße nehmen, gefolgt von Lammkeule, die schon seit dem frühen Nachmittag vor sich hin köchelt.«
    »Dann machen wir das so. Zwei Gläser von dem Albrissi, bitte. Und einen passenden Roten Ihrer Wahl, Maestro.«
    Als Patrick gegangen war, arrangierte Andrew seine langen Gliedmaßen behutsam auf dem Stuhl und sagte: »Was glaubst du, so ganz spontan, wie viel älter wird Tony Ulasewicz noch werden?«
    »Versicherungsmathematische Tabellen bringen einen in dem Fall nicht weiter.«
    »Nein. Was bringt den Kerl darauf, dass es besser ist, Brendan hundertsechzig Riesen zu schulden als den Armits?«
    »Die Armits hatten nicht vor, ihn umzubringen. Zumindest nicht demnächst.«
    »Der Argumentation kann ich folgen. Was macht Linda?«
    Ich sagte nichts.
    »So schlimm?« Sein langes Gesicht ließ keinerlei Anteilnahme erkennen.
    Eine kleine Explosion von glücklichen Lauten. Donelly war aus der Küche gekommen, um ein gemischtes Grüppchen von sechs Leuten zu begrüßen. Er sprach Irisch und Italienisch durcheinander und legte Einigen seine riesigen roten Hände auf die Schultern. Die solchermaßen Geehrten erschauderten vor Vergnügen, berührten seine Arme, dicke, gestärkte weiße Leinenwürste.
    »Rosa sagt, Linda hätte sich von Rod Pringle aufs Ohr küssen lassen«, sagte ich.
    Der Weißwein kam. Drew nippte vorsichtig, verdrehte die Augen, nickte beifällig. »Ich bin überrascht, dass Donelly nicht versucht, dich zu vergiften«, sagte er. »Aufs Ohr. Das ist schlimm. Auf den Mund wär besser gewesen als aufs Ohr. Sogar eine Tante kann einen auf den Mund küssen.«
    »Außerdem war sie seit sechs Wochen nicht mehr hier. Dringende Arbeit am Wochenende.«
    »Du könntest hochfliegen.«
    »Dringende Arbeit außerhalb.«
    Drew nahm noch einen Schluck und seufzte. »Na ja, wenn ich eine Frau wäre, würde ich meine Hand auf deine legen und so ein mitleidiges Gesicht ziehen.«
    »Ach, hör doch auf.«
    Drew sah mich nachdenklich an. »Bren O'Grady schuldet dir was«, sagte er. »Ich wette, er guckt nicht mal Rod Pringle. Ihm wär's egal, wenn es Rod Pringle gar nicht gäbe. Verstehst du, worauf ich hinaus will?«
    Ich trank mein Glas halb aus. »Das ist ganz wunderbar hilfreich, Andrew. Du könntest diesen Rat direkt im Law Institute Journal veröffentlichen.«
    »War ja nur ein Versuch, dich aufzumuntern. Ich weiß noch, wie du mich aufgemuntert hast, als Helen abgehauen ist. Zweier Handicap und einen Zwölf-Zoll-Schwanz hattest du, glaube ich, gesagt, hätte der Kerl. Und es war mit Sicherheit nicht andersherum.«
    »Manchmal hilft es halt, wenn man die Dinge in Zahlen ausdrückt«, sagte ich. »Hör zu, lassen wir mal die persönlichen Unzulänglichkeiten kurz beiseite, ich versuche da einem alten Kerl zu helfen, der mit meinem Dad zusammengearbeitet hat.«
    Ich erzählte ihm die Geschichte.
    »Warum meldet Des Gary nicht als vermisst?«
    »Im Moment wird er ja nicht vermisst, er ist nur nicht zu Hause. Der Alte sieht ihn ja manchmal ein ganzes Jahr nicht. Könnte sein, Gary macht das immer so.«
    Der erste Gang kam, dicht gefolgt von einer hoch aufgeschossenen Weinkellnerin mit dem Körperbau einer Schwimmerin. Sie entkorkte gekonnt die Flasche, hielt sie uns zur Inspektion hin, goss ein halbes Glas zur Begutachtung ein. Ich hielt mir das Glas unter die Nase und nickte. Sie schenkte uns ein. Wir aßen.
    »Man würde vielleicht nicht unbedingt auf Sex verzichten für dieses Risotto«, sagte Drew, »auch wenn es eine knappe Entscheidung wäre.« Er wischte sich den Mund mit einer gestärkten Serviette ab. »Aber du glaubst nicht, dass Gary nur mal Zigaretten holen gegangen ist.«
    »Nein. Dafür gibt zu viele seltsame Anzeichen.« Ich zählte sie auf.
    Drew nahm einen Bissen in den Mund, schmeckte ihn, studierte die Decke.

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