Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
Wendell«, sagte er. Er sah nicht aus wie der typische Hausmeister eines postmodernen Bunkers. Zu ihm hätte eher eine umgebaute edwardianische Villa voller pensionierter Viehzüchter gepasst.
Ich stellte mich vor. Wir gingen in sein Wohnzimmer. Viel Chintz, silbergerahmte Fotos auf jeder ebenen Fläche, Kelims am Boden, zwei Regimentsschwerter an der Wand.
»Wollte gerade vor dem Lunch einen kleinen Gin trinken«, sagte er. »Möchten Sie auch einen?«
Ich lehnte ab. Er ging zur Anrichte, goss eine bescheidene Menge Gin in ein Glas, fügte etwas Tonic aus einer offenen Flasche hinzu. Vielleicht nicht der erste Gin Tonic des Tages.
»Die Polizei hat Connors Familie erwähnt«, sagte er, während er sich setzte. Irgendetwas stimmte nicht mit seinem linken Bein oder seiner Hüfte.
»Wann waren die hier?«
Wendell nippte, stellte das Glas auf einen Beistelltisch, beugte sich vor und nahm ein schwarzes Buch mit einer roten Binde vom Couchtisch. »Das Buch«, sagte er. »Das gute Buch. Dem Herrgott sei Dank für das Buch. Wenn ich mich auf mein Gedächtnis verlassen müsste, wäre ich verloren.« Er schob seine Brille hoch, blätterte durch die Seiten, hielt inne. »Fünfter April, morgens.«
»Was wollten sie?«
Er schaute mich verdutzt an, legte das Buch in seinen Schoß, ließ die Brille wieder die Nase herunterrutschen. »Na ja«, sagte er. »Die Familie hatte Connors als vermisst gemeldet.«
Ich nickte. »Natürlich. Die Polizei wollte sich in der Wohnung umsehen.«
»Ja. Und das sehr gründlich, das kann ich Ihnen sagen.
Kein Grund zur Sorge, was das angeht. Das können Sie seinem Vater sagen. Kein Grund zur Besorgnis. Die haben das wirklich sehr ernst genommen.«
»Es wird ihn freuen, das zu hören.«
»Natürlich. Ist schon eine traurige Angelegenheit. Ich mach mir immer noch Sorgen um meine Tochter. Sie lebt mit drei Teenagern in Kanada, und ich mach mir immer noch Sorgen.«
»Machen wir doch alle. Wissen Sie, ob sie irgendwas Interessantes gefunden haben? Mr. Connors senior gegenüber waren sie sehr unverbindlich.«
Er trank noch ein Schlückchen von seinem Gin Tonic. »Da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Ich wünschte, ich könnte es. Aber die haben mich auch nur aufschließen lassen und mich dann fortgescheucht. Wollten mich nicht mal in die Tür lassen. Wahrscheinlich wollten sie nicht, dass das Durcheinander noch größer wird. Die waren gute fünfundvierzig Minuten da oben.«
»Ich nehme an, sie haben sich Ihnen gegenüber ausgewiesen, eine Visitenkarte dagelassen oder so etwas«, sagte ich.
Noch mehr Gin Tonic. »Aber sicher. Wir lassen nicht jeden Beliebigen hier zur Tür herein.« Wendell schob seine Brille wieder hoch, hob das Buch und las: »Die Detectives Carmody und Mildren, Australian Federal Police.«
»Bundespolizei? Nicht die städtische Polizei?«
Erneute Verwirrung. »Hatte Connors Vater denn nicht mit denen Kontakt aufgenommen?«
»Er hat seine Besorgnis der örtlichen Polizei mitgeteilt. Ich nehme an, die haben die Angelegenheit dann weitergeleitet.«
»Ganz bestimmt. Carmody, der war der Vorgesetzte, hat gesagt, dass Vermisste immer in die Bundeszuständigkeit fallen. Bundesweit, sozusagen. Hört sich doch sinnvoll an, oder?«
»Ohne Frage. Wann haben Sie Gary zum letzten Mal gesehen?«
»Oh, irgendwann im März, Mitte März. Wir sind gleichzeitig auf dem Parkplatz angekommen und haben ein paar Worte gewechselt.«
»Auf der Visitenkarte, die die Polizei dagelassen hat, stand eine Telefonnummer, nehme ich an. Könnte ich die bekommen?«
»Natürlich.« Er richtete seine Brille und las die Nummer aus dem Buch vor. Ich schrieb sie in mein Notizbuch.
Ich stand auf. »Nun, herzlichen Dank, dass Sie mit mir gesprochen haben. Garys Vater wird sich jetzt etwas besser fühlen.«
Wendall kam nur mit Mühe aus seinem Sessel. »Gern geschehen. Richten Sie ihm gute Wünsche von mir aus. Ist schon eine schreckliche Sache. Man liest ja so viel darüber, dass solche Leute in irgendwelchen Hotels in Bangkok ermordet werden. Obwohl er ja ein erfahrener Reisender ist. Selten hier, das kann ich Ihnen sagen. Ständig geschäftlich unterwegs. Sehr fleißig. Ein netter Kerl. Ruhig.«
Er brachte mich hinaus.
Als ich zurückkam, war Charlie in kontemplativer Stimmung. Wir fuhren schweigend, bis wir in der Hoddle Street im Verkehr stecken blieben. Es regnete, ein Regen, der nach Erschöpfung roch, und die Scheibenwischer des Studs hinterließen schmierige Schlieren. Da sagte Charlie
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