Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman
hat, aber ich hab's verdrängt. Hab schon zu viele traurige Geschichten gehört. Na ja, mit ein bisschen Nachhilfe verdrängt. Wir haben dieses Zeug aus Sumatra geraucht, das Bradley immer von seinem Kumpel bekommen hat, der Steward bei einer Fluggesellschaft war. Vertrug sich überhaupt nicht mit Tequila, das kann ich Ihnen sagen.«
»Stuarts Schwester rief an.«
Sie musterte mich. Ich erwiderte den Blick. Bei näherer Betrachtung erschien sie weniger reizlos. »Den Zeugen wieder auf den Punkt zurückbringen, was, Mr. Irish?«, fragte sie ohne Feindseligkeit.
Ich nickte zustimmend.
»Kate hat gesagt, Stuart hätte sie immer zu ihrem Geburtstag angerufen. Hätte sie angerufen oder wäre gekommen, um sie zu besuchen. Also fingen wir an, uns ein bisschen Sorgen zu machen, hatten ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil wir uns nicht schon ein bisschen früher ein bisschen Sorgen gemacht hatten, und guckten mal in seine Zimmer. Wir wussten aber nicht, wonach wir suchen sollten. Schließlich sind wir zur Polizei gegangen. Bradley und ich dachten, er werde jeden Augenblick zur Tür reinkommen. Aber Kate machte sich solche Sorgen, dass wir was unternehmen mussten.«
Lyall schnitt die letzte Kante vom letzten Abzug ab. »Das war's«, sagte sie. Sie sah auf die Männeruhr, die sie an einem geflochtenen Lederarmband am linken Handgelenk trug, einem breiten Handgelenk. »Trinken wir ein Bier.«
Ich folgte ihr aus der Dunkelkammer hinaus und rechts in die Küche. Es war eine freundliche, saubere und funktional eingerichtete Küche: Verandatüren zur Rechten, eine Sitzbank an der hinteren Wand, Becher und Geschirr in einem Regal, ein großes Schneidebrett, gute Messer an einem Magnetband, eine große Schale mit Äpfeln, glänzend grün, und roten Paprika.
»Mir reicht ein Wasser«, sagte ich. Ich war schon mal in dem dunklen Tunnel gewesen, und früh anfangen ist eine gute Methode, um auf einen weiteren Trip zu geraten.
Sie sagte nichts dazu, goss ein Glas Wasser aus einem Filterbehälter ein, nahm sich ein Stubby Vic Bitter aus dem Kühlschrank und entfernte den Kronkorken. Wir setzten uns an den Kieferntisch.
»Ich trinke nicht, wenn ich einen Job habe, aber wenn ich zurück bin, gleiche ich das wieder aus«, erklärte sie und schaute nachdenklich auf die Flasche. Sie trank ein Drittel davon in einem Zug.
»Für wen arbeiten Sie?«
»Niemanden. Na gut, hauptsächlich für die Agentur, muss man wohl sagen. Populus. Sitzt in Paris. Und in New York. War eine Abspaltung von Magnum. Kennen Sie Magnum?«
»Robert Capa.«
»Genau der.«
»Ich dachte, Fotografie wäre jetzt vollkommen elektronisch? Digital. Was immer das heißen soll.«
Ein schiefes Grinsen, ein wenig zynisch. »Ich bin ein Maschinenstürmer. Mein Vater hat noch mit Bleisatz gedruckt, hat sich strikt geweigert, auf Maschinensatz umzusteigen. Bei mir ist es dasselbe mit der Digitalfotografie. Mir gefällt es, das Bild aus dem chemischen Sumpf hervortreten zu sehen.«
Pause. »Na ja, so viel zu mir. Wie kommt es denn, dass ein Anwalt nach jemandem sucht?«
»Ein Gefallen für einen Freund.«
»Und gibt es eine Verbindung zwischen Stuart und dieser vermissten Person?«
»Na ja«, sagte ich. »Ich weiß, dass es eine Verbindung zwischen dem Mann, den ich suche, und einer Privatbank in Europa gibt, und dass Stuart eine Menge über diese Bank wusste. Er hat einem Freund von mir mal mit Informationen geholfen. Mitte der Achtziger. Lange her, nehm ich mal an.«
Sie legte den Kopf schräg, blickte mich über ihre Nase hinweg an, trank noch etwas mehr Bier. »Nehme ich mal an«, sagte sie.
Ich versuchte, das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
»Also ist Stuart nie mehr einfach so zur Tür reingekommen?«
»Nein. Die Cops haben die Fluglinien abgecheckt, Passagierlisten, was weiß ich, und haben rausgefunden, dass er am 10. Juli nach Sydney geflogen ist. Sein Auto stand hier. In der Garage. Hatte ich das schon gesagt?«
»Nein.«
»War nichts Ungewöhnliches. Er hat immer ein Taxi zum Flughafen genommen. Na ja, er hat einen Nachtflug nach Sydney genommen, 6 Uhr 30 oder so was, und dann ist er von dort noch am selben Tag nach Neuseeland geflogen. Und das war's.«
»Er hat Neuseeland nicht verlassen?«
»Es gibt keinen Beleg dafür, dass er Neuseeland verlassen hat.«
»Kein Kontakt zu irgendjemandem?«
»Niemand, den wir kennen, hat jemals wieder was von ihm gehört.«
»Hat nie eine Kreditkarte benutzt, nirgendwo Geld abgehoben?«
»Nein.
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