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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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Aktenschränken, das hat der Typ von der Vermisstenabteilung mitgenommen.«
    »Und nie zurückgegeben?«
    »Wahrscheinlich hat er es Kate gegeben. Keine Ahnung.«
    »Kann ich mal sein Schlafzimmer sehen?«
    Es war rein funktional: Doppelbett, ein Nachtschrank mit Lampe, eine Kommode. Ein Einbauschrank über eine ganze Wand.
    »Wir haben hier drin saubergemacht«, sagte Lyall. »Seine Wäsche gewaschen.«
    »Irgendwelche Anzeichen dafür, dass er was gepackt hatte? Fehlende Kleidungsstücke? Gepäck?«
    »Sind Sie sicher, dass Sie nur Anwalt sind?«, fragte sie. »Ich hab das Gefühl, Sie haben so was schon öfter gemacht.«
    »Instinkt«, sagte ich. »Ich verlass mich auf meinen Instinkt.«
    Sie lächelte, trank das Bier aus. »Schwer zu sagen, das mit den Klamotten. Stuart hat meistens Jeans und T-Shirt ge tragen und beides hatte er reichlich. Sein kleiner Aluminiumkoffer ist nicht da. Er hat immer nur den mitgenommen.«
    Auf dem Weg nach unten sagte ich: »Sein Auto ist noch hier, haben Sie gesagt?«
    »Es steht noch in der Garage. Da ist nichts drin.«
    »Haben Sie in den Kofferraum gesehen?«
    Pause. »Ich weiß nicht. Bradley vielleicht. Er hat ihn aufgebockt, sozusagen eingemottet.«
    Die Garage war durch eine Tür vom Innenhof aus zu erreichen. Ein neu aussehender Honda stand hinter einem alten, aufgebockten BMW-Coupé. Fünf Reifen lehnten an der hinteren Wand.
    »Vielleicht warten Sie lieber draußen«, sagte ich. »Sicherheitshalber.«
    Lyall biss sich auf die Unterlippe. Eine volle Unterlippe, gerade weiße Zähne. Sie gab mir die Autoschlüssel, ohne sich von der Stelle zu bewegen.
    Der Zündschlüssel öffnete den Kofferraum. Die Klappe ging nicht automatisch hoch.
    Ich ging mit den Fingerspitzen unter das Nummernschild und hob die Klappe an. Sie leistete Widerstand. Plötzlich flog sie auf. Der Kofferraum leer. Ein starker Geruch nach Bremsflüssigkeit, die aus einem Plastikkanister ausgelaufen war.
    Ich blickte mich um. Lyall hielt die Finger ihrer rechten Hand an den Mund. Aber nicht verängstigt. Leute, die illegal in andere Länder reisten, um Fotos zu machen, waren wahrscheinlich nicht so leicht zu ängstigen.
    »Nichts«, sagte ich.
    Das Handschuhfach enthielt einen Melway-Kartenatlas für den Großraum Melbourne und einen VicRoads-Atlas für den Staat Victoria. Halb unter dem Vordersitz lag eine zusammengeknüllte McDonalds-Tüte.
    Ich sah auf das Armaturenbrett. Nur 56.657 km gelaufen. Vielleicht ein generalüberholter Motor mit manipuliertem Tacho. War das legal? Der Tageskilometerzähler zeigt 667 km an.
    Hier war nichts zu finden.
    Als wir wieder in der Küche waren, sagte ich: »Eine letzte Frage.«
    Lyall nahm sich gerade noch ein Millers aus dem Kühlschrank. »Es fällt mir schwer, Ihnen etwas abzuschlagen«, erwiderte sie. »Ein unbehagliches Gefühl.«
    Unsere Blicke trafen sich wieder. Reizlos. Ein sehr seltsamer Eindruck. »Hätten Sie was dagegen, wenn ich mir Stuarts Computer mal ansehe?«
    Sie legte den Kopf schräg. »Ist das alles?«
    »Alles, was mir im Moment einfällt.«
    »Dann denken Sie weiter nach«, sagte sie. »Irgendwas wird Ihnen schon noch einfallen.«

uf dem Weg zurück ins Büro begann es zu regnen, ein unbestimmbarer Melbourner Regen, der nicht mal wirklich zu fallen schien. Er sickerte. Die unberechenbaren Scheibenwischer des Studs, harter Kontakt, weicher Kontakt, kein Kontakt, verliehen dem Winter stets einen weiteren, überaus vergnüglichen Aspekt. Als ich die Gerade in Richtung des Kreisverkehrs Swanston Street entlangfuhr, angestrengt bemüht, mit meinem Blick die verschmierte Windschutzscheibe zu durchdringen, war ich in Gedanken noch mit Lyall Cronin beschäftigt.
    An der Tür, ein bisschen beschwipst, hatte sie gesagt: »Herzliche Grüße an Mrs. Irish und all die kleinen Irishs. Oder sollte ich sagen, den kleinen Irish?«
    Ich blickte sie an. Sie warf mit der linken Hand ihr Haar zurück. Das war keine Frage zu den Pluralformen, und ich hatte keine Antwort auf die Frage, die sie gestellt hatte. »Keine Mrs. Irish«, sagte ich. »Nur eine kleine Irish, die mit einem Fischerboot-Kapitän namens Eric zusammenlebt. Irgendwo da draußen vor Brisbane. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken.«
    »Gut, dann«, sagte sie, »herzliche Grüße an die derzeitige Vertreterin für die frühere Mrs. Irish.«
    Das war der Augenblick. Der Augenblick, in dem man besser nichts sagen sollte, nur lächeln, einen Händedruck anbieten und sich bedanken. Der Augenblick, in

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