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Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman

Titel: Spur ins Nichts - Ein Jack-Irish-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Temple
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zeigt die Nummer des Anrufers an.«
    »Er hat Sie aus Melbourne angerufen? Wann war das?«
    »An Charlottes Geburtstag. Dritter April. Sie ist die Ältere. Er ist völlig vernarrt in sie, hätte ihren Geburtstag nie vergessen. Prinzessin Charlotte hat er sie genannt.«
    Sie ließ den Kopf sinken, hob fröstelnd die Schultern. »Mein Gott, warum darf man in solchen Cafeterien nie rauchen? Ich war noch nie hier drin. Hab das ganze verdammte Ding nur wachsen sehen. Reine Geldverschwendung.«
    »Wie lange war er weg?«
    Sie knabberte an einem Fingernagel der rechten Hand, riss sich zusammen, legte beide Hände auf den Tisch. Am kleinen Finger trug sie einen großen Ring mit einem ovalen grünlichen Stein, in Gold gefasst. »Als er angerufen hat? Ungefähr eine Woche. Bisschen länger. Er ist viel weggefahren, aber in letzter Zeit nicht mehr. Einmal waren es fünf Monate, in der Zeit ist er vielleicht fünf oder sechs Tage zu Hause gewesen. Ich bin immer schier durchgedreht. Nachdem Lorna geboren war, als sie, ach ja, ein Jahr alt war, war er mal drei Monate weg. Dann sind wir alle zusammen sechs Wochen nach Noosa gefahren. Wohnung direkt am Strand, Mietwagen, immer im Restaurant gegessen, manchmal sogar drei Mal am Tag. Alles. Klasse. Man vergisst einfach. Bis er dann wieder weggeht.«
    »Aber Sie wussten nicht, was er machte, wenn er weg war?«
    »Manchmal hat er gesagt, es sei geheim. Für die Regierung. Er spricht Thai, Vietnamesisch und Mandarin. Das ist eine Art Chinesisch. Seine Mutter war halb Thai. Hab sie nie kennen gelernt. Hab sowieso nie jemanden aus seiner Familie kennen gelernt.«
    Ich blickte mich um. Geheime Arbeit für die Regierung. Parlamentsgebäude. Dies war ein exzellenter Ort, um über jemanden zu sprechen, der geheim für die Regierung gearbeitet hatte.
    »Haben Sie irgendeine Vermutung, was für eine geheime Arbeit das war?«
    Hilfloser Blick. Kopfschütteln.
    »Und er hat Ihnen nicht gesagt, wo er diesmal hinfuhr?«
    Kopfschütteln.
    »Oder wie lange er wegbleiben würde?«
    Kopfschütteln.
    Das hier war wie Angeln ohne Haken.
    »Die Männer, die zu Ihnen gekommen sind, wer waren die? Polizei?«
    »Haben Sie nicht gesagt. Man fragt da nicht, oder? Haben gesagt, Dean hätte vielleicht einen Unfall gehabt. Dass er undercover gearbeitet hätte …«
    »Für die Regierung?«
    Sie zuckte die Achseln. »Das haben sie nicht gesagt. Können wir rausgehen? Ich brauch eine Zigarette.«
    Wir gingen hinaus und fanden einen Raucherplatz im Wind, der den Rauch mit sich nahm, sobald er aus ihrem Mund kam.
    »Die haben gesagt, sie könnten mir nichts darüber sagen.« Tiefer Zug, ausatmen, sofortiges Auflösen der Rauchschwade. »Die haben gesagt, man würde sich um uns kümmern. Hypotheken ablösen. Das alles. Aber ich dürfte niemandem davon erzählen.«
    Sie machte noch zwei schnelle, gierige Züge, warf die Zigarette weg, beugte sich zu mir herüber, umfasste meine linke Hand mit beiden Händen, langen Fingern und drückte sie. Ihre Augen an meine geheftet, helle blaue Augen. »Ich dachte, Dean einfach vergessen? Das ist es, was sie sagen wollten. Tut uns leid, Dean ist verschwunden. Ende der Geschichte. Hier ist ein bisschen Geld. Sprechen Sie mit niemandem drüber. Tut uns leid wegen der Kinder. Ich dachte, verdammte Scheiße, denken die, ich kann den Mädchen einfach einen neuen Daddy kaufen? Eines Tages sind sie groß, und alles, was sie über ihren Daddy wissen, ist, dass er wegfuhr und nie mehr wiederkam.«
    Der Wind verkündete das Ende des Tages, ein kaltes Ende. Ich blickte hinaus auf die Stadt. Entworfen von Amerikanern, die Stadt und ihre Zitadelle. Vom Reißbrett. Unser Brasilia.
    »Als Dean aus Melbourne angerufen hat, hat er Ihnen da angedeutet, was er dort machte? Irgendetwas darüber?«
    Sie zuckte hilflos die Schultern, wandte den Blick ab. »Ich hab ihn angeschrien, hab angefangen zu heulen. Mir hat's gereicht, es war alles einfach viel zu viel. Die Geburtstagsparty und keiner da, der mir helfen konnte. Dann ist auch noch Lorna, die Kleine, hingefallen, als die Kinder herumgetobt haben, und ist mit dem Kopf auf einen von Deans verdammten Findlingen geknallt. Ich wollte die hässlichen Dinger sowieso nie im Garten haben. Da lag sie dann, hat keinen Ton mehr von sich gegeben und das Blut lief ihr übers Gesicht. Ich dachte, sie wäre tot …«
    Sie ließ meine Hand los.
    »Na ja, als er dann angerufen hat an dem Abend, war es schon nach elf. Die Mädchen haben längst geschlafen, ich hätte

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