Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
nicht vorstellen, dass Franziska mit ihm durchgebrannt ist, aber alles andere schon.«
    »Sagen Sie das nachher dem Kommissar«, entschied sie. »Es ist mir unangenehm, unsere Kunden zu verdächtigen, aber wir müssen tun, was wir können, um Franziska zu helfen. Und er wird diskret vorgehen.« Das hoffte sie inständig. Kundschaft kündigte sich auf der Treppe zum Laden an, und sie ging zurück in den Flur, überließ ihrer Kollegin das Feld, bevor unweigerlich sie selbst in ein Gespräch verwickelt würde, dem sie sich im Moment nicht gewachsen fühlte.
    Sie hörte vorn einen Schlüssel in der Tür. Michael. Endlich.
    »Hallo, Schatz«, rief er ihr entgegen und stutzte. »Was ist hier denn los?«
    »Reine Routine.« Jetzt bemächtigte sie sich auch schon dieser Floskel im Versuch, ihn zu beschwichtigen, bevor er es als das nahm, was es war. »Du bist spät dran.«
    »Ich hab das Auto durch die Waschanlage gefahren«, erklärte er, »und das Pfund Tabak, das du neulich verschüttet hast, und den ganzen Splitt rausgesaugt.«
    »Super«, sagte sie. Jetzt wollte er auch noch gelobt werden, wo er sich gerade um Kopf und Kragen redete, denn sie bemerkte wohl, dass Linke und Sprenger hochinteressiert die Köpfe hoben. Ihr Mann, der so gut wie nie Schmutz wahrnahm, der, im Gegenteil, ihr das Gefühl gab, einen Tick zu haben, wenn sie vermeinte, nach Monaten mal wieder die Fenster putzen zu müssen, dieser Mann saugte ausgerechnet heute das Auto aus? Nicht zu fassen. Sie floh nach oben, um Marilene anzurufen.
    ***
    Marilene legte den Hörer auf. So dusselig verhält sich eigentlich nur jemand, der nichts zu verbergen hat, dachte sie, oder jemand, der sich allzu sicher fühlt. Konnte sie davon ausgehen, dass Katharina keinen wie auch immer gearteten Triebtäter geheiratet hätte? Sie kannte sie nicht gut genug, um sich auch nur annähernd ein Urteil erlauben zu können, und selbst wenn, blieb die Frage, wie gut Katharina ihren Mann kannte. Wie oft kam es schließlich vor, dass die Ehefrauen von Mördern und Kinderschändern aus allen Wolken fielen, wenn die Taten ihrer Männer herauskamen und sich das traute Heim als Chimäre entpuppte, ohne dass sie jemals den leisesten Verdacht gehegt hätten. Angeblich.
    Für absonderliches Verhalten fand sich zumeist eine harmlose Erklärung: Stress im Job, Probleme mit den Kindern, Geldsorgen oder eine Affäre – dies schon die größte denkbare Katastrophe. Nichts davon machte es unmöglich, eine Beziehung aufrechtzuerhalten, um der Kinder willen oder aus finanzieller Abhängigkeit. Ein Grund, die Augen zu verschließen, fände sich immer. Und alles, was über diese Art von Problemen hinausging, gab es nur im Fernsehen und in der Sensationspresse, war die Schlagzeilen meist nur wert, wenn das Umfeld ausreichend asozial war, um Gewalt telegen in Szene zu setzen. Wie schrecklich, sagen wir und wenden uns schaudernd ab, klopfen uns beruhigend auf die Schultern angesichts unserer wohlgeordneten bürgerlichen Verhältnisse, hinter deren Fassaden Exzesse nicht vorstellbar sind.
    Hieß das nun, dass sie glaubte, Michael Martens habe etwas mit Franziska Eisings Verschwinden zu tun? Nein, aber unmöglich war es schließlich nicht. Psychopathen rannten selten geifernd durch die Gegend, man sah ihnen nicht an, was in ihnen vorging. Davon konnte sie ein Lied singen, eine Ballade fast, so umfangreich war es mittlerweile. Die Möglichkeit durfte nicht außer Acht gelassen werden, insofern fand sie Hartmanns Ermittlung durchaus in Ordnung, jedenfalls solange er sich nicht auf diese Richtung beschränkte.
    Im Grunde ging sie die ganze Geschichte nichts an. Sie war niemandem verpflichtet, hatte noch kein Mandat übernommen, und wäre da nicht Marie, würde sie Hartmann den Gefallen tun und sich heraushalten. Vielleicht. Sie glaubte zwar nicht, dass Marie in unmittelbarer Gefahr schwebte, aber allein ein weiteres Mal hautnah mit einem Verbrechen konfrontiert zu werden könnte ihrem ohnehin ins Wanken geratenen Weltbild den Rest geben. Falls es sich tatsächlich um ein Verbrechen handelte, nicht einmal das stand ja bislang hundertprozentig fest. Genau dieses Argument würde zweifellos Marie anbringen, wenn sie versuchte, sie dazu zu bewegen, die Lehrstelle zu wechseln. Ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen, fürchtete Marilene, und so blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich, zumindest am Rande, mit dem Fall zu befassen. Das sah ja sogar Hartmann ein, sonst wäre er wohl kaum so grantig

Weitere Kostenlose Bücher