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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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gewesen.
    Seufzend schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf, drückte sich die Hände ins Kreuz, als ließe sich diese Last nur so tragen. Sie trat an die zweiflügelige Balkontür, die dieser besseren Dachkammer, die sie ihre Kanzlei nannte, mit ihren ansonsten erdrückenden Schrägen eine größere Dimension verlieh, und kontrollierte, ob die Kakteen in den kleinen Seitenfenstern sich durch Absterben ihrer Nachlässigkeit entzogen hatten. Bislang hatten sie, trotzig und selbstgenügsam, allen Widrigkeiten standgehalten, aber seit ein paar Wochen schienen sie sich gar gegenseitig anzustacheln. An einem Kaktus, sie weigerte sich, ihre Namen zu lernen, zeigten sich zartrosa Knospen, ein absolutes Novum, noch nie hatte eine ihrer Zimmerpflanzen geblüht. Ein anderer drohte, seinen Tontopf zu sprengen, aus einem Riss quoll sandige Erde. Sie sollte ihn umtopfen und scheute doch die Mühe, die wehrhaften Stacheln. Rühr mich nicht an. Wer behauptete, dass man mit Pflanzen sprechen musste, damit sie gediehen? Diese kamen ohne jeglichen Zuspruch klar, eine genetische Prädisposition, mutmaßte sie. Schließlich kam in der natürlichen Umgebung eines Kaktus selten genug jemand vorbei, und der einsame Cowboy gab wohl kaum den Rufer in der Wüste.
    »Howdy«,  sagte sie laut und wunderte sich nicht, als eine der Knospen abfiel.
    »Fine, and you?«
    Marilene wandte sich erschrocken um. Lothar Männle, der Notar aus dem Erdgeschoss, stand in der Tür, Handschuhe, eine Grillzange und einen Tontopf in der einen Hand, in der anderen eine Tüte mit Blumenerde.
    Sie verdrehte die Augen, dem Mann entging wenig.
    Er kam näher und spähte über ihre Schulter. »Ich dachte mir schon, dass du den kaputten Topf noch nicht ausgetauscht hast.« Er nickte befriedigt, als er seine Annahme bestätigt fand.
    »Hast du nichts Wichtigeres zu tun?«
    »Was gibt es Wichtigeres, als einer Schönen in Not zu helfen?« Männle zog die Handschuhe an, ging in die Knie und schüttete etwas Erde in den neuen Topf, bevor er den Kaktus mit der Zange packte, ihn umsetzte und schließlich Erde drum herum stopfte. Dabei murmelte er unverständlich vor sich hin, und Marilene wartete gebannt, ob der renitente Kaktus weitere Blüten abwerfen würde. Was nicht der Fall war.
    Männle wandte sich zu ihr um. »Du musst mit deinen Pflanzen reden, weißt du?« Er richtete sich auf. »Würdest du mir die Tür öffnen?«, bat er, das Knacken seiner Knie überspielend.
    »Ich hab davon gehört, aber ich dachte, Kakteen wären anders«, Marilene sah ihm zu, wie er auf den winzigen Balkon trat, sorgsam die Handschuhe abklopfte und schaudernd zurück ins Zimmer flüchtete.
    »Kalt«, sagte er überflüssigerweise. Er sammelte seine Utensilien ein und brachte sie in den Hausflur. »Was macht eigentlich dein Polizist?«, rief er.
    »Ermitteln, was sonst?« Auch sie erhob die Stimme.
    »Höre ich da Unmut heraus?« Er streckte seinen Kopf um die Ecke, als fürchtete er, Ziel eines Wurfgeschosses zu werden.
    Marilene grinste. »Kaffee?«, fragte sie.
    »Gern.« Er wirkte geradezu erleichtert, wie er jetzt die Tür schloss, betont lässig zu einem der Sessel schlenderte und sich niederließ.
    Der Mann blieb ihr ein Rätsel. Er sah mehr als gut aus. Wäre er eine Frau, würde man ihn hemmungslos als schön bezeichnen. Hartmann, fiel ihr ein, nannte ihn Schönling. Er besaß den Körper eines Athleten, jedenfalls soweit sie das beurteilen konnte, und gelegentlich hatte sie Mühe, den Blick abzuwenden, wenn er ihr voran die Treppe hochging. Zudem war er überaus hilfsbereit und einfühlsam. Das einzige Beunruhigende an ihm war seine Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Und sie auszusprechen. Ein Wesenszug wie Unsicherheit passte ungefähr so gut zu ihm wie eine Leidenschaft für Pflanzen zu ihr selbst. Rein äußerlich war er ein Frauenschwarm, wie er im Buche stand, aber sie hatte ihn noch nie mit einer Frau gesehen.
    Sie errötete und wandte sich ab, eventuelle Neigungen seinerseits gingen sie nichts an. Sie schätzte den unbeschwerten Umgang mit ihm, die munteren, aber harmlosen Geplänkel, die Vertrautheit, die sich so mühelos eingestellt hatte. Mehr nicht. Außerdem war er zu jung, sicherlich keinen Tag älter als vierzig. Sie goss Kaffee in einen Becher, brachte ihn zu ihm und trat an den Schreibtisch, um sich eine Zigarette anzuzünden, bevor sie sich in den zweiten Sessel sinken ließ.
    »Ermittlungen, die dich in irgendeiner Form betreffen?«, nahm Lothar den Faden wieder

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