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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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»Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Wuff.«
    Etwas schlug von innen gegen die Tür und knurrte deutlich. »Lieber nicht«, sagte Hartmann und wich zurück. Er bezweifelte, dass Patrizia erfahrener im Umgang mit Bestien war als er selbst. Und diese war groß, sehr groß, sehr hässlich, sehr bedrohlich, erkannte er, als sich die Tür öffnete und eine viel zu kleine Frau vor ihnen stand, die sich mit einer Hand an den Türrahmen klammerte und mit der anderen den fortstrebenden Hund zu halten versuchte.
    »Sitz«, befahl sie ohne große Überzeugungskraft. »Eigentlich tut er ja nichts.« Ihre Stimme nahm einen schrillen Klang an, einem Signal zum Angriff gleich, denn in diesem Augenblick obsiegte der Hund, stürzte sich auf Patrizia, haute ihr die Pranken auf die Schultern und – schleckte ihr das Gesicht ab.
    Patrizia hielt seinem Gewicht nicht stand, fiel rücklings in den Schnee und rührte sich nicht mehr, während der Hund noch verwundert nach ihr zu suchen schien.
    »Sitz!«, brüllte nun Hartmann und tastete blindlings nach seiner Waffe. Er konnte sich nicht einmal erinnern, ob er sie bei sich trug, bevor sein Verstand registrierte, dass der Hund gehorcht hatte und reglos neben Patrizia saß. Er wirkte wie ein Kind, das beim Naschen ertappt worden war, was so gar nicht zu dieser Kreatur passte.
    »Er tut wirklich nichts, jedenfalls nicht absichtlich«, erklärte die Frau, »das ist ein Reflex bei ihm. Ich verlasse kaum noch das Haus, weil es mich bei meiner Rückkehr jedes Mal umhaut. Komm Pawlow«, wandte sie sich an den Hund, der träge den riesigen Schädel nach ihr drehte, »guter Hund, ab ins Haus mit dir.«
    Pawlow, Hartmann schnaubte, ein schlechter Scherz. Er verfolgte ungläubig, wie das Tier auf einmal gehorchte und sich ins Haus scheuchen ließ. Patrizia rappelte sich mühsam auf, und er klopfte ihr den Schnee vom Rücken. »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
    Sie nickte. »Jetzt weiß ich, was  friendly fire  ist.«
    »Und ich hatte schon befürchtet, einen Kollateralschaden melden zu müssen.« Er bleckte grimmig die Zähne und fragte sich, ob man es tatsächlich als  »friendly«  bezeichnen konnte, wenn ein Hund wahllos Leute umschmiss, selbst wenn er darauf verzichtete, ihnen die Kehle zu zerfetzen. »Frau Gentner?«, rief er ins Haus hinein.
    »Kommen Sie doch rein, es ist viel zu kalt, um draußen noch länger herumzustehen. Ich koche jetzt erst mal einen Tee, das ist das Mindeste, was ich tun kann nach dem Schreck.«
    Widerstrebend folgten sie ihr ins Haus und betraten einen überdimensionierten quadratischen Flur, der mit fast weißen Fliesen ausgelegt war, ein reizvoller Kontrast zu der antiken dunklen Garderobe, die passgenau eine Tür umspielte, und zu dem Sekretär aus demselben Holz an der gegenüberliegenden Seite. Für Farbtupfer sorgten ein paar Kunstdrucke, zu abstrakt für seinen Geschmack, aber durchaus nicht hässlich. Nein, korrigierte Hartmann sich, vermutlich nennt man das Empfangshalle, und die Fliesen sind keine Fliesen, sondern Marmor, die Kunstdrucke echte Mirós. Was wusste er schon.
    Frau Gentner streckte ihren Kopf aus der Küche und wies auf eine der Türen. »Sie wollen sich sicher frisch machen«, wandte sie sich an Patrizia, die der Aufforderung folgte und ins Bad verschwand, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die verräterischen Spuren des Hundes in eine andere Richtung führten.
    Hartmann war unschlüssig, ob er es wagen sollte, sich von der Haustür zu entfernen.
    »Kommen Sie ruhig. Pawlow schmollt erst mal, so schnell kriegen wir den nicht wieder zu Gesicht.«
    So kann man den Vorfall natürlich auch umschreiben, dachte er und betrat die Küche. Er blieb überrascht stehen. Was für ein Traum! Er kochte gern, wenn auch eher intuitiv, er wusste die Vorzüge einer guten Ausstattung wohl zu schätzen, aber wäre er im Besitz einer solchen Küche, er würde ohne zu zögern den Beruf wechseln. Er musste an sich halten, nicht über die samtigen Flächen der Buchenschränke zu streichen, wie um sie auf Unebenheiten zu prüfen, nicht an den Kräutern zu riechen, die die Fensterbänke okkupierten, es juckte ihn in den Fingern, den altmodisch wirkenden Gasherd, der die Kochinsel in der Mitte dominierte, zu entzünden, gegen die kupfernen Pfannen, die von der Decke hingen, zu schlagen, nur um des satten Klanges willen, sich zu vergewissern, dass die Messer in ihrem eindrucksvollen Block die exakt richtige Schärfe besaßen. Und erst der

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