Spur nach Ostfriesland
sagen. Was ist mit ihr? Ist sie tot?«
»Was Sie meinen, ist jung. Klein ist sie nicht.« Patrizias Stimme troff vor Ironie. »Und was genau verstehen Sie unter widerspenstig?«
»Kommen Sie«, Gentner blieb hinter dem Stuhl seiner Frau stehen, »glauben Sie ernsthaft, ich würde durch eine Affäre mit einem jungen, unbedarften Ding meine Ehe mit einer wunderbaren Frau gefährden?«
»Fällt ein gemeinsamer Urlaub nicht unter die Kategorie Affäre?«
»Ganz schön spitzfindig, junge Frau.« Gentner nickte in gespielter Anerkennung. »Natürlich würde es das, wenn es denn je stattgefunden hätte, was nicht der Fall ist, das kann ich Ihnen versichern.«
»Warum dann die Einladung?«
»Das geht Sie eigentlich gar nichts an, aber ich werde es Ihnen trotzdem erklären. Ich bin Unternehmensberater, wie Sie vielleicht schon wissen, und ich biete nicht nur Managementseminare, sondern auch Schulungen für Mitarbeiter an. Eines der Themen ist Souveränität im Umgang mit Kunden, und hieran mangelte es Frau Eising beträchtlich.«
»Heißt das, Sie haben einen Vertrag mit der Buchhandlung, um deren Mitarbeiterinnen zu trainieren? Oder ist es ganz einfach so, dass Sie junge Frauen rein zu Anschauungszwecken anbaggern? Filmen Sie das mit versteckter Kamera?«
»Selbstverständlich nicht, das wäre illegal. Und nein, es gibt keinen Vertrag, ich spiele in einer anderen Liga. Mir geht es allein um aussagekräftige Beispiele, die ich in meinen Seminaren verwenden kann.«
»Was, wenn Sie Ihre Einladung angenommen hätte?«
»Sehen Sie, das ist genau der Punkt. Eine souveräne Antwort auf mein scheinbares Angebot wäre gewesen: Meine Koffer sind schon gepackt, wo geht’s hin? Aber Spaß beiseite, in Anbetracht der Umstände sollten wir allmählich auf den Grund Ihres Besuchs zu sprechen kommen. Was ist passiert, und wie kann ich Ihnen helfen?«
Hartmann kam Patrizia zuvor. »Wann haben Sie Franziska Eising das letzte Mal gesehen?«
»Moment, ach ja, das war am Freitagabend. Genau, ich wollte ein bisschen die Zeit totschlagen, weil ich um neunzehn Uhr eine Verabredung hatte.«
»Waren Sie allein mit ihr im Geschäft oder gab es noch andere Kunden?«
»Ich glaube nicht, nein.«
»Und um neunzehn Uhr haben Sie das Geschäft verlassen?«
»Ja, sie hat mit den Schlüsseln gerasselt und mich auf die Zeit aufmerksam gemacht.«
»Den Namen und die Anschrift Ihrer Verabredung, bitte.«
»Da habe ich ja richtig Glück, dass ich diesen Abend ausnahmsweise nicht in kompromittierender Gesellschaft verbracht habe.« Ein anzüglicher Blick traf Patrizia, die vorgab, nichts zu bemerken, und stattdessen ein Notizbuch hervorkramte. »Ich war bei Sönke Petersen in der Wiesbadener Straße. Er ist ein alter Freund von mir, wir spielen regelmäßig Schach, so auch am Freitag. Peter wie der Vorname und S, E, N«, half er nach. »Er wird meine Ankunftszeit bestätigen, und Sie werden sehen, dass für einen Mord, erst recht für einen Sexualmord, das ist es doch, was Sie mir unterstellen wollen, die Zeit nicht ganz ausreichte.«
»Von Mord war bislang nicht die Rede.« Hartmann hatte das Gefühl, dass nicht allein Patrizia hier ein Gespräch in den Sand setzte.
»Aber von der Verkehrspolizei sind Sie ja nicht – sagten Sie jedenfalls. Also korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege.« Gentner verließ seinen Platz und setzte sich an den Tisch. »Sie haben also keine Leiche. Eine junge Frau wird seit, lassen Sie mich rechnen, seit vier Tagen vermisst, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als meine Frau unter Druck zu setzen, an meiner ehelichen Treue zu zweifeln und daraus ein Motiv für einen nicht einmal erwiesenen Mord zu zimmern?! Wenn Sie sämtliche männliche Kunden der Buchhandlung überprüfen wollen, haben Sie ja einiges zu tun. Ich bin sicher, darunter finden sich welche, die Frau Eising ›angebaggert‹ haben, wie Sie es zu nennen beliebten, vielleicht ist ja sogar ein Triebtäter darunter. Und vergessen Sie nicht all ihre Kommilitonen. So ein Trieb, den Sie ja irgendjemandem glauben anhängen zu müssen, befällt einen ja nicht erst mit fünfzig wie, sagen wir, senile Bettflucht.«
Hartmann zuckte unwillkürlich zusammen. »Wir müssen jedem Hinweis nachgehen, also sagen Sie mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe.«
»Warum eigentlich nicht? Ich werde Ihrer Behörde mal ein Angebot zukommen lassen. Organisationsstrukturen lassen sich immer optimieren. Und eine Verbesserung der Gesprächsführungskompetenz liegt
Weitere Kostenlose Bücher