Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
Vom Netzwerk:
sie denn nicht wieder gesund werden wolle. Und immer, wenn sie die Nase voll hatte von der dauernden Rennerei zur Krankengymnastik, hat er sie einfach für die nächste Runde angemeldet. Ich glaube fast, dass er mit seinen Abenteuer-Reisen nur angefangen hat, um ihr klarzumachen, was sie versäumt. Natürlich hat sie das nicht vermisst, im Gegenteil sogar, wenn er länger weg war, schien sie mir immer –«, er stockte, »irgendwie zufriedener. Aber ich kann den Finger nicht drauflegen, ist nur so ein Gefühl, und es war ja auch nie von Dauer.«
    Hartmann hatte etwas Ähnliches behauptet, überlegte Patrizia, sie sei ein anderer Mensch gewesen, während sie selbst sich die Schlabberspuren der Bestie vom Gesicht gewaschen hatte. Sie hatte dem keine Bedeutung beigemessen, es bestenfalls für alterstypische Stimmungsschwankungen gehalten. Nur – was sollte das mit ihrem aktuellen Fall zu tun haben?
    »Wissen Sie, in welcher Klinik ihre Mutter damals war?«, fragte sie.
    Gentner presste frustriert die Lippen zusammen und schüttelte stumm den Kopf.
    »Krankenkasse?«
    »DAK.«
    »Prima, die werden mir weiterhelfen können.« Sie stand auf, sich bereits gegen die Kälte wappnend. »Sie denken an den Psychologen?«, erinnerte sie ihn und schob ihm ihre Visitenkarte zu.
    »Geht klar«, murmelte er.
    »Hören Sie, das alles muss überhaupt nichts bedeuten«, erklärte sie. »Es kann durchaus sein, dass Ihre Mutter an stinknormalen Depressionen leidet, und es kann auch sein, dass Ihr Vater sich einfach wichtigmachen will. Versuchen Sie, es nicht zu nah an sich heranzulassen.«
    »Genau das will ich eigentlich nicht mehr.« Gentner hielt sich den Kopf, als bekäme er Angst vor der eigenen Courage. »Und ich will, dass es etwas bedeutet.«
    »Wenn das so ist, finden wir es auch heraus«, entgegnete Patrizia, obgleich sie insgeheim daran zweifelte.
    ***
    Zinkel tigerte den Bürgersteig hoch und runter, klopfte gelegentlich in die behandschuhten Hände, mehr um des Zeitvertreibs willen, nicht, weil er fror, noch nicht, und stieß den Atem heftiger aus, als die Anstrengung rechtfertigte. Dies war bereits seine dritte Flucht aus dem Wagen, von wo aus er beobachtet hatte, wie Petersen, fröhlich seine Aktentasche schwenkend, nach Hause gekommen war. Um kurz vor sieben. Ziemlich spät für einen Finanzbeamten, fand er. Wenn er bis acht nicht wieder auftauchte, würde er sich auf den Heimweg machen.
    Als um sechs in Petersens Wohnung die Lichter angegangen waren, hatte er schon angenommen, seine Rückkehr verpasst zu haben, aber entweder hielt sich eine weitere Person dort auf oder Petersen hatte eine Zeitschaltuhr installiert, weil er sich fürchtete, wenn er im Dunkeln heimkam. Er schnitt eine Grimasse und lief zurück zu seinem Wagen. Es war doch kalt.
    Standheizung wäre nett, dachte er, lehnte den Kopf an die Nackenstütze und schloss die Augen. Nur einen Moment, nur bis –, nein, gut, dass die Kälte ihn wach hielt, nichts sonst, gelegentlich noch ein Fußgänger, auch der Feierabendverkehr hatte mittlerweile abgenommen, ohnehin untauglich als Zeitvertreib. Ein Schuss ins Blaue, diese Überwachung. Wegen falsch angeordneter Schachfiguren, was für eine Begründung!
    Doch Patrizias Instinkt trog sie eigentlich selten, es kam ihm sogar so vor, als habe sie seit ihrer Verletzung ein feineres Gespür für kriminelle Untertöne entwickelt, also hatte er sich in diesen Auftrag gefügt, ohne zu meckern. In allen anderen Belangen hingegen, schweifte er ab, war sie zunehmend, vielleicht nicht gefühllos, aber distanziert, dies jedoch scheinbar so unabsichtlich und zerstreut, dass er kaum den Finger darauflegen konnte. Ein Gespräch stand an, ein ernstes, allerdings scheute er davor zurück, zu groß seine Angst vor einem »Dann eben nicht«. Er trat die Kupplung durch und wechselte rabiat die Gänge, bis er grinsen musste, verhältst dich wie ein Kleinkind.
    Ein Klopfen gegen die Scheibe ließ ihn zusammenfahren. »Springt er nicht an?«, fragte – ausgerechnet – Petersen.
    »Doch, doch.« Zinkel hob wie grüßend die Hand, um sein Gesicht zu verbergen, und startete den Motor. Innerlich fluchend manövrierte er den Wagen aus der Parklücke und wendete absichtlich zeitraubend. Kurz bevor er die Kiste hätte abwürgen müssen, um sehen zu können, was Petersen machte, stieg der in einen kleinen roten Fiat und fuhr hinunter Richtung Ortsmitte.
    Zinkel folgte, gab Gas, um ihn nach der scharfen Linkskurve nicht zu verlieren, eine

Weitere Kostenlose Bücher