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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Rechtskurve schloss sich an, dann eine Ampel. Rot, Scheiße. Er trat in die Eisen und blickte Petersen konsterniert hinterher, der mitten auf der Kreuzung, wie zum Abschied, zweimal auf die Bremse tippte. Woher sollte der wissen, dass er seinetwegen hier war?
    Ungeduldig boxte Zinkel auf den Beifahrersitz ein, bis die Ampel endlich umsprang, da schoss ein Nachzügler vor ihm über die Kreuzung und er entging einem Zusammenstoß nur um Haaresbreite. »Idiot!«, brüllte er, riss den Kopf herum, um das Kennzeichen festzustellen, aber der andere war viel zu schnell, das Nummernschild nurmehr ein blasses Rechteck. Er war versucht, hinterherzujagen, den farbenblinden Schwachkopf von der Straße zu holen, bevor der noch jemanden umbrachte, zumal Petersen vermutlich ohnehin längst über alle Berge war, glaubte jedoch nicht, dass er eine realistische Chance hatte, ihn einzuholen, und so hoffte er auf Selbstmord und fuhr in die Richtung, in die Petersen entschwunden war.
    Die Straße führte nach Oberjosbach, rechts wies ein Schild zum Baugebiet Schäfersberg. War Petersen abgebogen? Weiter vorn waren keine Rücklichter erkennbar. Er setzte den Blinker, um sein Glück zu versuchen, und merkte schnell, dass er davon eine Menge bräuchte. Die Gegend war unübersichtlich und zu eng bebaut, der Schäfer hier dürfte längst arbeitslos sein, für Schafe fehlte schlichtweg der Platz. Neben den in Wohngebieten üblichen Buchten hielt jede kleinste Nische als Parkplatz her, im Dunkeln nur schwer zu erkennen. Die labyrinthische Straßenführung und gelegentlich eine breite Auffahrt, die wie eine Stichstraße wirkte, verwirrten ihn zunehmend, sodass er bald die Orientierung verlor.
    »Vertane Zeit!«, fluchte er und wendete, als er wieder einmal ein Sackgassenschild übersehen hatte. Er beschloss, aufzugeben, stoppte an der Ecke, welche Richtung? Bergab, entschied er, das müsste ihn hinausführen. Er ließ den Wagen rollen, gedanklich längst zu Hause, und warf nur sporadisch einen Blick auf parkende Fahrzeuge.
    Abgetan als Hirngespinst, wäre der rote Fiat ihm beinahe entgangen, erst beim zweiten Hinsehen traute er seinen Augen. Er fuhr ein Stück weiter, fand einen nicht legalen Parkplatz und stieg aus. Petersens Auto stand vor dem Haus eines Psychologen. Dr. Johannes Lindenau. Termine nach Vereinbarung.
    Zinkel schaute sich nach unerwünschten Beobachtern um, zog eine Wollmütze aus der Tasche seines Mantels und stülpte sie auf den Kopf. Das musste als Verkleidung reichen, sollte Petersen das Haus gleich wieder verlassen. Er trottete die nur von einer funzeligen Solarlampe erleuchtete Auffahrt hinauf und kontrollierte noch einmal unauffällig die Umgebung. Kein Mensch war unterwegs. Die meisten Fenster der umliegenden Häuser waren von Rollläden verborgen, die übrigen waren hell erleuchtet, was den Blick nach draußen ebenso verhinderte. Auch hier, im Haus des Psychologen, brannte im Hochparterre Licht. Als er näher kam, konnte er eine Frau mit Gläsern hantieren sehen. Bewirtete sie Gäste, und Petersen stattete lediglich einen freundschaftlichen Besuch ab?
    Er folgte dem Schild, das ums Haus herum zum Praxiseingang wies, leise, doch nicht verstohlen auftretend, sodass er, sollte er entdeckt werden, sich immer noch darauf herausreden könnte, er brauche psychologische Hilfe. Die Waschbetonplatten, die als Gehweg herhielten, waren tückisch glatt, und er geriet mehr als einmal ins Straucheln, streifte schneebedeckte Büsche, die mit einem erleichterten Seufzer ihre Last abwarfen. Plötzlich stürzte sich ein Vogel mit schwarzem Flügelschlag von der hohen Fichte in den Himmel, sandte eine Lawine herab, die Zinkel überzuckerte, ihm eiskalt in den Nacken rieselte. Er umrundete schaudernd die Hausecke.
    Die Tür zur Praxis war verschlossen. Ein paar Meter weiter drang Licht aus einem Panoramafenster. Zinkel stapfte über die Buchsbäumchen hinüber, die den Weg vom Garten trennten. Ab hier wäre seine Selbstmordgefährdung als Alibi wenig glaubhaft, überlegte er und hoffte, dass er nicht ausgerechnet jetzt entdeckt würde. Ein für Arztpraxen typischer Lamellenvorhang versperrte ihm die Sicht. Steckte doch kein gesellschaftlicher Anlass hinter Petersens Besuch? Er lauschte angestrengt, um wenigstens ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen zu können.
    »… macht mich nervös«, vernahm er. Das war Petersen.
    »Dafür gibt es keinen Grund.« Lindenau sprach sanft, beruhigend, senkte die Stimme weiter. »… Tabletten?«,

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