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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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hier offenbar mit einem Phänomen zu tun, das
Undoing
genannt wird – ungeschehen machen. Der Begriff wird in der operativen Fallanalyse verwendet, von der schon die Rede war. Bei der Fallanalyse geht es unter anderem darum, einen Tatort genau zu untersuchen, um möglichst viele Informationen über den Täter und sein Verhalten zusammenzutragen, die für die Aufklärung des Falls von Bedeutung sein könnten. Fallanalytiker bezeichnen ein solches Nachtatverhalten auch als »emotionale« beziehungsweise »symbolische Wiedergutmachung«.
    Ich erinnerte mich an einen Fall, mit dem ein ehemaliger Kollege einige Jahre davor zu tun hatte. Bei dem Opfer hatte es sich ebenfalls um eine Frau gehandelt, die wie Christiane Wellbrinck tot in ihrem Bett gefunden worden war. Der psychisch kranke Täter, ihr Liebhaber, den sie während einer Therapie kennengelernt hatte, hatte sie mit bloßen Händen erwürgt, anschließend seine Tat aber offenbar bereut und als Akt der Wiedergutmachung erst die Bettdecke über sie gelegt und diese dann auf der gesamten Fläche mit Dingen verziert, die sie zu Lebzeiten besonders gemocht hatte: Blumen, Kosmetika, Stofftiere, Kleidungsstücke, eine Flasche ihres Lieblingsweins.
    Für Ermittler sind solche Handlungsweisen häufig ein Indiz dafür, dass zwischen Täter und Opfer eine enge Beziehung bestand oder zumindest, dass das Opfer für den Täter eine besondere Bedeutung besaß. Allerdings sollte man sich eine derartige Inszenierung immer sehr genau ansehen. Es könnte nämlich auch sein, dass man es mit einem gewieften Täter zu tun hat, der das Opfer gar nicht oder nicht besonders gut kannte, sondern die Kriminalbeamten mit dem Schmücken des Tatorts lediglich auf eine falsche Fährte lenken will. In diesem Fall würde man von
Staging
sprechen. Dazu zählen auch Tatortinszenierungen, durch die verhindert werden soll, dass der Verstorbene von anderen in einer entwürdigenden Position aufgefunden wird. Zum Beispiel nach autoerotischen Unfällen, die tödlich endeten, oder nach Suiziden. Hinterbliebene schämen sich oft oder fühlen sich schuldig, wenn sich ein naher Angehöriger auf diese Weise aus dem Leben gestohlen hat.
    Auch auf den umgekehrten Fall, das sogenannte Positionieren – also:
Posing
 – stößt man gelegentlich. Dabei hinterlässt der Täter sein Opfer bewusst in einer Position, die dessen Ruf nicht gerade zuträglich wäre. Entweder weil er dabei seine eigene, kranke Phantasie ausleben möchte, das Opfer nachträglich in seinem Ansehen beschädigt werden soll, oder in der Absicht, denjenigen, der die Leiche findet, noch mehr zu schockieren, als das ohnehin geschehen wäre.
     
    Die Leiche von Christiane Wellbrinck lag auf dem Rücken. Sie war mit einem hellblauen Nachthemd bekleidet, das bis zu den Knien reichte. Ihr linker Arm lag dicht am Körper, der rechte war etwas abgewinkelt, beide Handflächen zeigten nach oben. Als wir das Handtuch entfernten, das den Hals bedeckte, wurden an beiden Seiten des Halses deutliche Unterblutungen sichtbar, die aussahen wie ausgedehnte unförmige blaue Flecken – und an den gleichen Stellen Hautvertrocknungen. Der Abschnitt des Halses darüber und das Gesicht wirkten unnatürlich aufgedunsen. Die Augenbindehäute und die Lidhäute waren von zahlreichen punktförmigen Einblutungen gesprenkelt, ebenso die Gesichtshaut und die Hautpartien unmittelbar hinter den Ohren. All das klassische Anzeichen für eine Gewalteinwirkung gegen den Hals. Anscheinend war die Frau erstickt.
    Beim Erstickungstod haben wir es in der Rechtsmedizin mit vielen verschiedenen Formen zu tun, die anhand der Mechanik und Pathophysiologie unterschieden werden. Ersticken kann unter anderem durch äußere mechanische Einwirkung herbeigeführt werden, zum Beispiel durch Zuhalten der Atemwege, Knebelung oder Strangulation. Unter dem Oberbegriff Strangulation unterscheidet man wiederum drei Arten: Erhängen, Erdrosseln, Erwürgen. Da eine ansteigende Strangmarke, die charakteristisch für ein Erhängen gewesen wäre, ebenso fehlte wie eine horizontale Drosselmarke, die für einen Tod durch Erdrosseln gesprochen hätte, kam am ehesten in Frage, dass die junge Frau erwürgt worden war. Letzte Gewissheit, ob wir damit richtig lagen, konnten wir allerdings erst durch eine Obduktion erlangen.
     
    Zu unseren wichtigsten Aufgaben am Tatort gehört die Bestimmung der Todeszeit. Wobei man treffender sagen sollte, dass wir versuchen, den wahrscheinlichen Todeszeitpunkt so eng wie

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