Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
Vom Netzwerk:
möglich einzugrenzen. Wir sprechen von einer maximal möglichen Annäherung, was umso schwieriger wird, je länger der Moment zurückliegt, in dem der Tod eintrat.
    In Kriminalfilmen wird es häufig so dargestellt, als genüge dem geschulten Rechtsmediziner ein Blick auf die Leiche, um einigermaßen genau sagen zu können, wann derjenige sein Leben ausgehaucht hat. In Wirklichkeit sind dafür verschiedenste Untersuchungen, Messungen und Berechnungen erforderlich, und selbst dann kommt man seriös selten zu einem Resultat, das nicht mindestens ein Zeitfenster von mehreren Stunden als möglichen Todeszeitpunkt umfasst. Bei aller Erfahrung, und die größte Sorgfalt vorausgesetzt, bleibt es am Ende doch meistens nur eine mehr oder weniger grobe Schätzung.
    Man darf sich das auch nicht als die Ein-Personen-Aktion eines schweigsamen Rechtsmediziners vorstellen, der still an der Leiche vor sich hin brütet. Die Zusammenarbeit, der ständige Austausch mit den Kriminalisten ist dabei unerlässlich. Sie könnten an Informationen gelangen, die für unsere Arbeit von Bedeutung sind. Ebenso könnten Erkenntnisse, zu denen wir durch unsere Untersuchungen gelangen, ihnen weiterhelfen.
    Einen ersten Anhaltspunkt erhielten wir durch die Leichenflecken, die sich blauviolett auf der Körperrückseite der Toten gebildet hatten. Unter normalen Umständen werden die ersten etwa zwanzig bis dreißig Minuten nach Eintritt des Todes sichtbar. Innerhalb von drei bis sechzehn Stunden haben sie sich dann vollständig ausgeprägt, und zwar der Schwerkraft entsprechend in den Körperregionen, die am tiefsten liegen. Danach sind sie noch eine Zeitlang wegdrückbar, wie wir es nennen. Das heißt, wenn man mit der Fingerkuppe gegen die Haut drückt, blasst sie an dieser Stelle ab.
    Auch die Leichenstarre war bereits eingetreten, hatte sich aber noch nicht komplett ausgebildet. Sie setzt bereits kurz nach dem Todeseintritt ein und beginnt üblicherweise im Kiefergelenk. Danach kann es bis zu zwanzig Stunden dauern, ehe sie alle Muskelfasern erfasst hat. Bei hohen Temperaturen wird dieser Prozess – wie alle postmortalen Vorgänge – beschleunigt, bei niedrigen entsprechend verzögert.
    Um festzustellen, wie weit fortgeschritten die Leichenstarre ist, bricht man sie an einem der großen Gelenke, zum Beispiel am Knie oder am Ellenbogen. Tritt danach in diesem Bereich – wie bei dem Opfer hier – erneut die Leichenstarre ein, wenn auch in schwächerer Ausprägung, ist das ein Zeichen dafür, dass sie zuvor noch nicht vollständig ausgeprägt war. Und das bedeutete, dass die Frau noch keine zehn Stunden tot sein konnte.
    An den relativ weit gefassten Zeitspannen sieht man, wie ungenau solche Hinweise zunächst sind. Erst indem man alle relevanten Veränderungen am Leichnam würdigt, die durch den Faktor Zeit bestimmt sind, kann man zu einem konkreteren Ergebnis gelangen. Wobei die Betonung selbst dann noch auf dem kleinen Wörtchen
kann
liegt. Generell gilt dementsprechend: Je schneller man mit den Untersuchungen an einer Leiche beginnen und je mehr Methoden man anwenden kann, desto genauer fällt das Ergebnis aus.
    Eine recht verlässliche Methode, zumindest unter bestimmten Voraussetzungen, ist die Todeszeitbestimmung anhand der Veränderung der Körperkerntemperatur im Verhältnis zur Umgebungstemperatur. Hier lautete eine Faustregel: Eine normal bekleidete Leiche kühlt bei normaler Zimmertemperatur in der ersten Phase, die etwa zwei bis drei Stunden umfasst, kaum ab, danach pro Stunde um etwa 0 , 5 bis 1 , 5  Grad Celsius. In unserem Fall dürfte die Bettdecke diesen Prozess erheblich verlangsamt haben. Für solche und andere Abweichungen vom angenommenen Normalfall sind bestimmte Korrekturfaktoren zu berücksichtigen, die zum Körpergewicht in Bezug gesetzt werden. Für die Bettdecke etwa hatten wir den Faktor zwei anzunehmen. Da die Frau achtundfünfzig Kilo wog, mussten wir also davon ausgehen, dass sie unter der Decke so abgekühlt war, als wäre sie doppelt so schwer gewesen. Aber das nur, um eine Vorstellung von dem Prinzip zu vermitteln. Die Methode selbst ist um ein Vielfaches komplexer.
    Wichtig zu erwähnen ist vielleicht noch, dass man sie nicht unbegrenzt lange anwenden kann. Sobald sich die Körperkerntemperatur der Leiche der Umgebungstemperatur angeglichen hat, ergeben Rückwärtsrechnungen keinen Sinn mehr.
    Anschließend versuchten wir, dem möglichen Todeszeitpunkt durch die elektrische Reizung der Muskulatur

Weitere Kostenlose Bücher