Spuren des Todes (German Edition)
Selbstaufgabe – verhinderte nicht, dass Perlott, nachdem er nach Hamburg zurückgekehrt war, wieder in die gewohnten Verhaltensmuster verfiel.
Fast drei Jahre ertrug Christiane Wellbrinck dieses Gefühlschaos, litt dabei weit häufiger, als dass sie glückliche Momente erlebte, dann machte sie mit Mike Perlott Schluss. Kurz zuvor war ihr ein anderer Mann begegnet, den sie mochte, aber nicht liebte, dafür wäre sie gar nicht offen gewesen. Seine Avancen waren Balsam auf ihrer Seele, vor allem gaben sie ihr das Selbstbewusstsein, endlich auch mal an sich zu denken.
Auf einmal schien Mike Perlott – wohl tief verletzt in seinem Stolz – zu erkennen, welch große Gefühle er doch für seine Freundin hegte. Er sei sich ihrer immer absolut sicher gewesen, erzählte er später vor Gericht, dass sie ihm plötzlich den Laufpass gab, habe er als schlimmen Schock empfunden. Um die Abtrünnige zurückzuerobern, schrieb er zuckersüße Briefe an sie und schickte ihr Blumen mit kleinen Liebesbotschaften. Überhaupt zeigte er sich von einer gefühlvollen Seite, die sie so an ihm bisher nicht gekannt hatte. Offenbar imponierte ihr das. Es dauerte jedenfalls nicht lange, dann waren sie wieder ein Paar. Sie zogen sogar gemeinsam in eine Wohnung, was sie vorher schon gern getan hätte, er aber stets vehement abgelehnt hatte.
Eine Weile lief es tatsächlich besser zwischen den beiden, bis die alten Diskrepanzen wieder zum Vorschein kamen. Christiane Wellbrinck träumte von einer eigenen Familie. Spätestens mit dreißig wollte sie heiraten und dann Kinder bekommen. Prinzipiell schien auch Mike Perlott nicht abgeneigt, eine Familie zu gründen, zumindest behauptete er das. Nur sah er den richtigen Zeitpunkt noch nicht gekommen, und auf einen späteren wollte er sich nicht festlegen. Er konzentrierte sich hauptsächlich auf sein berufliches Fortkommen. Und bald fing er auch wieder an, in alter Manier freie Wochenenden für sich einzufordern, um diese mit Freunden zu verbringen. Das heißt, er nahm sie sich einfach. Genauso wie er Weihnachten einmal kein Geschenk für sie hatte, er Silvester danach gleich ganz ohne sie feierte und sich kurz darauf allein einen Urlaub in der Karibik gönnte.
Ich kann es nur vermuten, aber es müssen diese ständigen Demütigungen gewesen sein, die Christiane Wellbrinck irgendwann die Augen öffneten. Eine Zeitlang versuchte sie noch, ihrem Freund klarzumachen, wie sehr sein Verhalten sie verletzte, dass sie so nicht weitermachen wolle, nicht könne. Meistens stritten sie dann, und anschließend schränkte er seine Alleingänge ein – doch nie für lange.
Ihre Beziehung schien ein einziges Missverständnis zu sein. Je unglücklicher sie wurde und je mehr sie sich von ihm zurückzog, als umso angenehmer empfand er die Situation. Doch das anscheinend nur, weil ihm der Blick für die Realität abhandengekommen war. Er bemerkte zwar, dass sie immer mehr auf Distanz zu ihm ging, ein Alarmzeichen erkannte er darin aber offenbar nicht. Vielmehr deutete er die Entwicklung als einen Schritt hin zum Besseren.
Das mag für Außenstehende absurd klingen, in der eigensinnigen Gedankenwelt von Mike Perlott jedoch schien sich diese Schlussfolgerung regelrecht aufzudrängen. Was hatte er dieser Frau nicht schon alles angetan? Sogar geschlagen hatte er sie, mehrfach, und trotzdem war sie – bis auf die kleine Auszeit, die er inzwischen vergessen zu haben schien – nicht davongelaufen. Eine flüchtige Entschuldigung von ihm am nächsten Tag genügte, und schon hatten sie sich wieder versöhnt.
Einer dieser Vorfälle, bei denen Perlott handgreiflich geworden war, kam später im Prozess zur Sprache. Christiane Wellbrincks beste Freundin erinnerte sich, wie er sie einmal in ihrem Beisein ins Gesicht geschlagen hatte, mit solcher Wucht, dass ihre Lippe aufgeplatzt war. Und das nur, weil die beiden Frauen in der Bar aufgetaucht waren, in der er mit ein paar Freunden gesessen hatte. Dabei war das von ihnen gar nicht beabsichtigt, sondern reiner Zufall gewesen. Wie üblich hatte er ihr nämlich nicht verraten, wo er den Abend – und die halbe Nacht – zu verbringen gedachte.
Ob dieses Erlebnis für Christiane Wellbrinck der letzte Auslöser war, in ihrem Leben etwas zu ändern, lässt sich nur vermuten. Immerhin mussten erst noch sechs Monate vergehen, ehe sie ihre Sachen packte und auszog.
Es dürfte ein Ausdruck innerer Zerrissenheit gewesen sein, dass sie zuvor noch ihren kompletten Sommerurlaub mit
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