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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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Urgewalt des Wassers dort unten vorstellen: Da zogen dreizehn ausgewachsene Männer mit ihrer ganzen Kraft, und trotzdem bekamen sie das Seil nicht einen einzigen Meter zurück.
    Einen Moment überlegte der Einsatzleiter, den zweiten Rettungstaucher hinterherzuschicken. Schließlich entschied er sich dagegen. Die Gefahr, dass ihm das Gleiche widerfahren könnte, schien zu groß. Stattdessen ordnete er an, Sven Bennsen mehr Seil zu geben. Anscheinend trieb ihn dieselbe Hoffnung, die zuvor bereits die beiden Kollegen von Berthold Grundoff zur gleichen Entscheidung geführt hatte. Da sich die aber auch jetzt nicht erfüllte, beschloss man, das Sperrwerk zu fluten. Falls die beiden Taucher tatsächlich in den Umlaufkanal gesogen worden waren, wovon einige inzwischen ausgingen, hätten sie auf diese Weise hinausgespült und vielleicht gerettet werden können. Zumindest für Sven Bennsen konnte diese Chance bestehen, in seinen Taucherflaschen dürfte noch ausreichend Luft gewesen sein – für Berthold Grundoff schon längst nicht mehr.
    Doch es blieben beide verschollen.
    Erst als in der Nacht Ebbe einsetzte und dadurch die Strömung nachließ, wagten sich die nächsten Rettungstaucher ins Wasser. Sie suchten über eine Stunde, ehe sie die Männer in dem Umlaufkanal fanden, dessen Schott ein Stück offen gestanden hatte. Beide waren tot.
    Es muss ein ungeheuer starker Sog gewesen sein, der sie durch die kleine Öffnung förmlich hineingesaugt hatte, samt ihrer Seile, die mehrfach um die Leichen geschlungen waren, gerade so, als hätte jemand versucht, sie zu einem Paket zusammenzuschnüren, es dann aber aufgegeben hatte. Deswegen konnten die Leichen auch nur gemeinsam geborgen werden.
    Beiden Männern waren die Masken und die Flaschen weggerissen worden, man fand sie später im Hafenbecken, wo auch die Flossen im Wasser trieben. Die Druckminderer an den Flaschen waren kaputt, die Manometer abgebrochen, nichts war heil geblieben.
     
    Ich fuhr zusammen mit einem Kollegen zu den Außensektionen. Da beide direkt nacheinander erledigt werden sollten, wechselten wir uns ab – zuerst war ich federführende Obduzentin, danach machten wir es umgekehrt. Außer dem Sektionsgehilfen und uns waren noch zwei Kripokommissare anwesend, die die Ermittlungen in dem Fall durchführten. Kommt jemand auf unnatürliche Art zu Tode, wird immer die Kripo eingeschaltet, ohne Ausnahme.
    Wir begannen mit der Leiche von Berthold Grundoff. Er war zuerst gestorben, das konnte man voraussetzen. Es wurde aber auch durch den Ermittlungsbericht vom Unglücksort bestätigt. Darin waren einige Angaben des Notarztes festgehalten, der den Tod der beiden Taucher bescheinigt hatte. Demnach war bei der Leiche des Achtundvierzigjährigen die Leichenstarre bereits ausgeprägt gewesen, als sie geborgen wurde, während sie bei der Leiche des Rettungstauchers noch nicht eingesetzt hatte. Bei beiden wird die niedrige Temperatur des Wassers – sie lag bei fünf Grad Celsius – diesen Prozess erheblich verzögert haben.
    Ich hätte mir gern einen Eindruck von dem demolierten Tauchgerät verschafft, aber das hatte die Polizei komplett sichergestellt, um es von einem Sachverständigen begutachten zu lassen. Obwohl der Fall klar schien, da beide Taucher dasselbe Schicksal ereilt hatte, musste geklärt werden, ob nicht möglicherweise ihre Ausrüstung manipuliert worden war. Die Männer waren sich zu Lebzeiten nie begegnet, auch über Dritte hatte keine Verbindung zwischen dem einen und dem anderen bestanden. Es wäre also ein unglaublicher Zufall gewesen, hätte beiden jemand auf diese perfide Art nach dem Leben getrachtet, noch dazu zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Aber wer hätte entscheiden wollen, ob es einen solch unglaublichen Zufall nicht doch geben konnte?
    Ansonsten aber kam Berthold Grundoffs Leichnam auf den Sektionstisch, wie man ihn aus dem Wasser gezogen hatte. Bekleidet war er mit einem schwarzen Neoprenanzug, der an beiden Knien aufgerissen war. Auch an den Handmanschetten hing das Kautschukmaterial in Fetzen. Wodurch diese Beschädigungen auch entstanden sein mochten, sie hatten offenbar dazu geführt, dass er seine Handschuhe verlor, beide waren weg. Und die Handrücken der Hände wiesen Schleifverletzungen auf.
    Wir schnitten den Tauchanzug vom Hals nach unten auf und schälten die Leiche vorsichtig heraus. Vier- oder fünfmal wiederholten wir das, so viele Schichten hatte Berthold Grundoff übereinandergezogen, was ich angesichts der

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