Spuren des Todes (German Edition)
sie in Münster gestorben war, mit derselben Methode für den Rücktransport nach Russland konserviert wurde. Und auch Papst Johannes Paul II . soll nach seinem Ableben eine solche Behandlung erfahren haben, damit man ihn bedenkenlos im Vatikan aufbahren konnte.
Manche behaupten, die Haut von Toten, die auf diese Weise einbalsamiert werden, sehe im Vergleich zu der von unbehandelten Leichen geradezu rosig aus. Dem kann ich nur widersprechen. Ich finde, dass sie eher aschfahl aussehen. Auf jeden Fall macht das Einbalsamieren mir die Arbeit nur schwerer. Solche Leichen zu sezieren, ist ein einziger Albtraum. Man kann nicht beschreiben, welch fürchterlichen Gestank sie verbreiten, sobald man ihre Körperhöhlen öffnet. Und gesund ist Formaldehyd auch nicht gerade. Meine Augen brennen jedes Mal höllisch, und mir laufen in einem fort die Tränen.
Ungeachtet dessen konzentrierte ich mich darauf herauszufinden, was mit dem Mann während seines letzten Tauchgangs passiert war. Oder sollte ich besser sagen: passiert sein könnte?
Laut Ermittlungsprotokoll war er seit vierundzwanzig Minuten im Wasser, als der Unfall passierte. In dieser Zeit hatte er es bis in eine Tiefe von dreiundzwanzig Metern geschafft. Dort unten herrschte eine starke Strömung. Dagegen anzuschwimmen dürfte ihn ziemlich viel Kraft gekostet haben. Dass man leicht in Luftnot gerät, wenn man sich beim Tauchen mehr als üblich anstrengt, hatte ich selbst schon erlebt. In so einer Situation kommt es darauf an, Ruhe zu bewahren und nicht zu hyperventilieren.
Der Mann war übergewichtig, sein Herz wird schwer gepumpt haben. Bei der Obduktion zeigte sich, dass es auch vergrößert war. Das musste nicht, konnte aber ein Indiz für eine Herzschwäche sein. Zudem fand ich im Bereich des Herzmuskels kleinere Narben. Auch das ein Hinweis, dass sein Herz nicht unbedingt das allergesündeste Organ gewesen war.
Für mich stellte sich das so dar: Aufgrund der vorbestehenden Herzerkrankung hatte er mehr Probleme mit der Strömung als die anderen Taucher. Durch die Erschöpfung und die Luftnot musste er in Panik geraten sein. Anstatt sich in einem vernünftigen Tempo Richtung Wasseroberfläche zu bewegen, schien er versucht zu haben, so schnell wie möglich dorthin zu gelangen. Sein Tauchcomputer hatte ihm Aufstiegswarnungen gegeben, das ging aus dem Ermittlungsprotokoll hervor. Solche Signale weisen Taucher darauf hin, wenn sie zu schnell nach oben unterwegs sind. Durch zu schnelles Auftauchen aus einer bestimmten Tiefe kann es zu einem Dekompressionsunfall kommen. In der Tiefe werden die Körpergewebe aufgrund des erhöhten Partialdrucks mit Stickstoff angereichert. Entsprechend entsättigen sie sich wieder beim Aufstieg. Bei einem zu schnellen Aufstieg passiert in etwa das, was man beobachten kann, wenn man eine Champagnerflasche schüttelt und dann öffnet. Aufgrund des raschen Druckabfalls bilden sich in den Gefäßen Stickstoffbläschen, die dort Schäden anrichten, sogar zu einer Verstopfung derselben führen können. Lebensgefährlich kann beides sein.
Es war allerdings weder ein besonders tiefer noch ein besonders langer Tauchgang gewesen, von daher hielt ich diese Möglichkeit für wenig wahrscheinlich. Es gibt aber noch ein anderes Problem bei einem zu schnellen Aufstieg, welches weitaus häufiger auftritt. Die Luft, die sich in den Lungen befindet, wird in der Tiefe durch den Druck stark komprimiert. Bei einem raschen Aufstieg dehnt sie sich kräftig aus und kann Lungenrisse verursachen, sofern man nicht ständig ausatmet.
Ich ging davon aus, dass der Mann ertrunken war, möglicherweise in Kombination mit einem Lungenriss.
VI. Tödliche Ohrfeige
Ich hockte in einem kleinen Waldstück am nordöstlichen Stadtrand von Hamburg. Es war bitterkalt, und es regnete. Neben mir zwei Polizisten, die mit Schaufeln ein Loch in den Erdboden gegraben hatten. Es maß ungefähr zwei mal ein Meter und war geschätzt dreißig Zentimeter tief. Über unseren Köpfen spannte sich das Dach eines Zelts, eine Art Gartenpavillon, die Seitenteile fehlten. Ein paar Meter weiter hatte die Feuerwehr einen Lichtmast aufgestellt, der die Szenerie in ein gespenstisches Licht tauchte. Es war der Tag vor Weihnachten, am frühen Abend. Da ich Dienst hatte, war der Anruf bei mir aufgelaufen. Es hieß: »Wir haben einen Tatort.«
Fundort wäre treffender gewesen, obwohl man es sicher auch als Tat bezeichnen konnte, jemanden in der Erde zu vergraben. Wir hatten die Leiche einer Frau
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