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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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sich die Leiche von Sven Bennsen, die wir danach obduzierten, in einem ähnlichen Zustand befand. Am Kopf, im Gesicht und an den Händen wies sie nahezu die gleichen Verletzungen auf, außer dass ihr noch das rechte Ohr abgetrennt worden war. Eine Halswirbelfraktur hatte der Fünfunddreißigjährige nicht erlitten. Dafür waren mehr als die Hälfte seiner Rippen gebrochen, fast alle zwei-, teilweise auch dreifach, dass man schon von einer Zertrümmerung sprechen konnte. Die dürfte schwerlich durch nur einen einzigen Aufprall verursacht worden sein. Außerdem war das linke Kniegelenk regelrecht auseinandergerissen. Der Unterschenkel wurde nur noch von der Haut gehalten, er war fast um hundertachtzig Grad nach hinten verdreht.
    Aber auch hier bestand kein Zweifel, dass der Tod durch Ertrinken eingetreten war.
     
    Jahre später, ich lebte inzwischen in London, wurde ich noch einmal mit einem verunglückten Taucher konfrontiert. Der Unfall, wie er sich abgespielt haben sollte, gehörte in die Kategorie der klassischen Tauchunfälle. Das Ungewöhnliche, weshalb ich mich gut daran erinnere, waren eher die Umstände der Obduktion. Und die Tatsache, dass er – es handelte sich um einen Mann Mitte vierzig – während einer Kreuzfahrt durch die Karibik gestorben war, bei einem Tauchgang vor den Virgin Islands. Normalerweise hatte ihn seine Frau immer bei den Tauchgängen begleitet. An diesem Tag war sie jedoch an Bord geblieben, da sie sich eine Ohrinfektion zugezogen hatte. So stand es im Untersuchungsprotokoll, das zusammen mit der Leiche aus der Karibik nach London gebracht worden war.
    Stirbt ein britischer Staatsangehöriger während eines Auslandsaufenthalts, wird der Leichnam fast immer über Heathrow zurückgeflogen – und bei unklarer Todesursache obduziert. Die Leichen, die in Heathrow ankommen und für eine Obduktion vorgesehen sind, werden in eine von drei Leichenhallen gebracht, die im Zuständigkeitsbereich des Coroners für das Gebiet West London liegen. Eine davon steht in Fulham, und für die arbeitete ich. Also, nicht für die Leichenhalle, sondern dort im Auftrag des Coroners beziehungsweise seiner Dienststelle – zu den Besonderheiten des britischen Leichenschauwesens komme ich noch.
    Die Leiche des Mannes war bereits auf den Virgin Islands obduziert worden. Dort hatte man festgestellt, dass er offenbar schon vorher Probleme mit dem Herzen gehabt hatte und sein Tauchunfall darauf zurückzuführen war. Aber das wollten seine Angehörigen, allen voran die Ehefrau, nicht glauben – oder nur nicht wahrhaben. Die Frau meinte, er sei kerngesund gewesen. Gut möglich, dass es einen versicherungstechnischen Hintergrund gab, der sie motivierte, auf dieser Feststellung zu beharren. Das kann ich nicht beurteilen.
    Tatsächlich schien es ein paar Ungereimtheiten zu geben. Zum Beispiel, warum keiner früh genug bemerkt hatte, dass er in Schwierigkeiten steckte. Immerhin war er nicht allein im Wasser gewesen, sondern zusammen mit einer Tauchergruppe, angeführt von einem Tauchlehrer. Wieso war niemandem aufgefallen, dass er plötzlich weg war? Und warum hatte er keinen Buddy neben sich gehabt? Es wäre auch interessant gewesen zu erfahren, ob er vorher Alkohol konsumiert hatte oder vielleicht auch Drogen; in der Karibik einen Joint aufzutreiben, dürfte nicht weiter schwierig sein. Dafür wäre ein toxikologisches Gutachten erforderlich gewesen. Ein solches hatte auf den Virgin Islands allerdings niemand in Auftrag gegeben, jedenfalls nicht, dass wir es erfahren hätten.
    Ich konnte all diese Fragen auch nicht mehr klären. Um die Leiche für die Überführung nach England transportfähig zu machen, hatte man sie einbalsamiert. Dabei wurde das Blut im Gefäßsystem des toten Körpers durch eine formaldehydhaltige, desinfizierende Lösung ersetzt, die mit Hilfe einer speziellen Pumpvorrichtung eingespritzt worden war. Ungefähr elf Liter benötigt man bei der Leiche eines Erwachsenen dafür. Meistens wird das über die Halsschlagader bewerkstelligt. Außer es wurden zuvor große Blutgefäße durchtrennt, etwa bei einer Obduktion, dann muss man das Mittel an mehreren Stellen einleiten. Ziel ist es, dass sich die Flüssigkeit anschließend durch die Zellwände hindurch überallhin verbreitet. Erst dadurch kann der Verwesungsprozess im gesamten Körper verzögert werden. Allerdings nur für einige Wochen, je nach Konzentration der Lösung. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Frau von Michail Gorbatschow, nachdem

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