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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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keins mehr.
    Seine Kollegen schienen daran zu zweifeln, dass das zweimal zuckende Seil als Signal zu werten war. Deswegen, berichteten sie später, hätten sie es ignoriert und stattdessen versucht, den Taucher aus dem Wasser zu ziehen. Erst nur einer allein, dann beide zusammen. Doch selbst mit doppelter Kraft gelang es ihnen nicht, von dem Seil mehr als einen oder zwei Meter zurückzubekommen. Es musste sich irgendwo verfangen haben.
    Oder Berthold Grundoff selbst war es, der feststeckte.
    Oder er war durch ein Leck – und infolge des enormen Sogs in einem solchen Fall – in den Umlaufkanal des Sperrwerks geraten.
    Nichts davon ließ etwas Gutes ahnen.
    Da sie in die eine Richtung nichts bewirken konnten, änderten die beiden Männer an Land ihre Taktik. Anstatt am Seil zu ziehen, rollten sie noch mehr davon ab und ließen Meter um Meter ins Wasser gleiten, erst zwanzig, dann dreißig, am Ende waren es fast hundert Meter. Ungefähr so viel Seil, schätzten sie, würde ihr Kollege brauchen, um durchs Sperrwerk bis zum Ende der Sielkammer zu gelangen. Ihre Hoffnung bestand darin, dass er dort wieder auftauchen würde. Luft musste er noch genug in den Flaschen haben.
    Sie versuchten auszurechnen, wie lange er unter Wasser bis dahin bräuchte. Diese Zeit warteten sie ab. Als das Erhoffte nicht eintraf, alarmierten sie die Feuerwehr. Bis die ersten Rettungskräfte anrückten, hatte sich der Tag in die Dunkelheit verabschiedet, und es goss in Strömen.
     
    Es war Sven Bennsen, der als Nächster ins Wasser stieg. Der Fünfunddreißigjährige wollte den vermissten Taucher retten. In der Zwischenzeit waren mehrere Feuerwehrzüge aus verschiedenen Orten der Umgebung eingetroffen, dazu Hilfskräfte vom THW , Rettungswagen mit Sanitätern und ein Notarzt. Später sollte die Bundeswehr noch einen Hubschrauber und Marinetaucher schicken.
    Sven Bennsen war mit der Freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatstadt gekommen, die rund dreißig Kilometer entfernt lag. Er hatte vor Jahren die Ausbildung zum Rettungstaucher absolviert und seither regelmäßig an Rettungsübungen teilgenommen. Außerdem spielte er Fußball in einem Verein und ging wöchentlich zum Schwimmtraining. Anders gesagt: Er war körperlich topfit und qualifiziert für den Einsatz. Trotzdem hätte er ihn nicht machen müssen, es war seine freie Entscheidung.
    Die Feuerwehrmänner stellten Lichtmasten auf, deren Scheinwerfer grelles Licht aufs Wasser warfen. Bis auf einige, die so ausgerichtet waren, dass sie das Sperrwerk und den Platz, auf dem die Fahrzeuge der Rettungskräfte standen, taghell ausleuchteten. Vermutlich sogar etwas heller – ich weiß noch, dass es extrem düstere Tage waren damals.
    Auch Sven Bennsen bekam ein Seil. Zusätzlich wurde über ein Tauchertelefon eine Sprechverbindung zwischen ihm und seinen Kameraden eingerichtet. Und es machte sich ein zweiter Rettungstaucher bereit, für den Fall, dass er blitzschnell Unterstützung gebraucht hätte.
    Was sich danach ereignete, offenbar innerhalb von wenigen Augenblicken, stellte ich mir mehr als gruselig vor, als ich einen Tag später davon erfuhr.
     
    Bei dem Wort »Taucher« wurde ich sofort hellhörig, da ich seit einiger Zeit selber tauchte. Ich war vor vielen Jahren Schnorcheln im Roten Meer. Seitdem bin ich total begeistert von der Welt unter Wasser. Ich wollte damals gern noch tiefer darin eintauchen, im wörtlichen Sinne. Aber es sollte gut zehn Jahre dauern, bis ich endlich die Gelegenheit hatte, einen Tauchkurs zu absolvieren. Ich machte meinen ersten Tauchschein in Hamburg und war sofort fasziniert, das war noch viel besser als Schnorcheln. Dieses Gefühl der Schwerelosigkeit unter Wasser! Am liebsten hätte ich jede freie Minute getaucht. Ich ließ keine Gelegenheit verstreichen, meine Tauchkünste zu verbessern. Sobald ein freies Wochenende anstand, fuhr ich an einen See zum Tauchen. Ich absolvierte alle möglichen Kurse, bis ich es zur Rettungstaucherin gebracht hatte. Der Kreidesee Hemmoor, nordwestlich von Stade, wurde zu einem meiner Lieblingsreviere. Der See war mal ein Kalkbergwerk, bis es geschlossen und geflutet wurde. Noch heute ist der Kalkgehalt des Wassers ziemlich hoch, wodurch darin kaum Pflanzen wachsen. An guten Tagen hat man über zwanzig Meter Sicht. Allerdings kann das Wasser selbst im Sommer recht kalt sein, unter zehn Grad. Dort zu tauchen ist nicht ungefährlich, aber das ist Tauchen nirgends. Besonders wenn man leichtsinnig wird oder es übertreibt und zu weit

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