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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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Blutgefäße kommt. Die Ursache ist in der Mehrzahl der Fälle eine Thrombose, also ein Blutgerinnsel, das das Gefäß verstopft. Das war bei dem Iraker auch so.
    Ich erinnere mich nicht mehr, mit welchem Leichnam ich gerade beschäftigt war, als jemand vom Coroner’s Office in den Sektionssaal trat und fragte, ob ich meine Arbeit kurz unterbrechen und mit nach draußen in den Empfangsbereich kommen könne. Da es äußerst selten vorkommt, dass man mitten in einer Obduktion gestört wird, musste es etwas Dringendes sein.
    Es war ein Neuzugang. Die Informationen zu ihm waren im Vergleich zu sonst recht spärlich. Keine Personalien. Man sagte mir nur, dass ich es mit dem Opfer eines Motorradunfalls zu tun hatte. Und dass es ein Mann war, aber das sah ich selbst.
    Ich sollte die Leiche inspizieren, damit sie für die Identifizierung durch Angehörige vorbereitet werden konnte. Die Polizei hatte den Vater des Verunglückten für den Nachmittag zur Mortuary bestellt.
    In dem Zustand, wie er jetzt in der Leichenwanne lag, wäre der Verstorbene seinem Vater nicht zuzumuten gewesen. Er war zwar noch komplett bekleidet, doch oberhalb des Jackenkragens war nichts mehr – der Kopf fehlte. Das heißt, der Kopf lag daneben. Er war bei dem Unfall abgetrennt worden. Dekapitation ist der Fachbegriff dafür.
    Einerseits überraschte mich der Anblick, andererseits weckte er sofort mein Interesse. Ich hatte vorher schon einige Motorradfahrer obduziert, die tödlich verunglückt waren. Aber darunter war noch nie einer gewesen, dem es den Kopf abgerissen hatte. Das kannte ich nur von Bahnleichen, die vom Zug überrollt worden waren. Und in Hamburg hatte ich mit einer Kollegin mal einen Fall zu bearbeiten, wo ein Mann seine Ehefrau geköpft hatte. Er war nach der Tat mit dem Kopf in der Hand zur nächsten Tankstelle marschiert, hatte ihn dort abgelegt und gesagt: »Das hier ist meine Frau. Jetzt könnt ihr die Polizei holen.«
     
    Eine der Fragen, die mich neugierig machten, war: Wie mochte das mit dem Kopf passiert sein? Shirley, die Sachbearbeiterin vom Coroner’s Office, meinte, die Polizei würde selbst noch rätseln. Der Unfall war erst wenige Stunden zuvor passiert.
    Was für ein Albtraum musste das für denjenigen gewesen sein, der den Motorradfahrer gefunden hatte. Vielleicht hatte er noch gedacht, er könne ihm helfen, ist zu ihm gerannt … und dann das, dieser Anblick. Der Kopf soll ein ganzes Stück entfernt gelegen haben.
    Ich sah mir die Leiche von oben bis unten an, verschaffte mir ein Gesamtbild. Dabei achtete ich besonders darauf, ob es äußere Verletzungen oder auch Blutspuren gab, die nicht zu einem Motorradunfall passten. Oder irgendetwas anderes, das verdächtig gewesen wäre. Es hätte ja auch sein können, dass der Mann von einem Psychopathen vom Motorrad geholt und dabei geköpft worden war. Vieles war denkbar, in dieser Phase konnte man nichts ausschließen. Doch bis auf die eine gab es keine größeren Verletzungen, sah man davon ab, dass ein Bein falsch beweglich war, was auf eine Fraktur hindeutete.
    Dann nahm ich den Kopf in die Hand und betrachtete ihn von allen Seiten. Das Gesicht war nicht zu erkennen – überall klebte Blut. Wo sich vorher der Hals angeschlossen hatte, hing ein Stück vom Rückenmark heraus. Kopf und Hals waren ziemlich glattrandig voneinander getrennt worden.
    Nachdem ich mit der Begutachtung des verunglückten Motorradfahrers fertig war, nähte einer der Sektionsgehilfen den Kopf provisorisch wieder an, damit der Leichnam dem Vater gezeigt werden konnte. Außerdem wurde das Gesicht vom Blut gereinigt, aber davon bekam ich nichts mit, da ich längst wieder mit den anderen Leichen zugange war.
    Drei hatte ich noch. Eine davon war eine Faulleiche. Sie hatte mehrere Tage in einer Wohnung gelegen, bevor sie entdeckt worden war. Einem Milchmann, der mit seinem Elektromobil durch die Gegend kurvte, seinen Kunden täglich frische Milch vor die Tür stellte und bei der Gelegenheit die geleerten Flaschen wieder mitnahm, war aufgefallen, dass einer seiner Abnehmer die Milch seit drei Tagen nicht mehr hereingeholt hatte. Ein Anruf bei der Polizei. Die brach die Wohnung auf und fand den Toten, dessen sterbliche Überreste bereits reichlich fäulnisverändert waren. Bei den sommerlichen Temperaturen ging das rasend schnell. Immerhin ließ sich noch herausfinden, dass der sechsundsechzig Jahre alte Mann an einer Hirnblutung gestorben war. Also kein Verbrechen.
    Bis zum Nachmittag erledigte ich

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