Spuren im Nichts
alleinige Erbin Ihres Vaters sind. Und Sie sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass sämtliche materiellen Güter und Immobilien aus der Erbmasse beschlagnahmt und enteignet werden könnten, falls es zu einem Prozess mit negativem Ausgang für Sie kommt.«
Sie sah aus, als hätte Kim sie in die Enge getrieben. Kim litt mit einem Mal unter heftigen Gewissensbissen, doch dann sagte sie sich, dass es keine andere Möglichkeit gab. Die Frau hätte all das vermeiden können, wenn sie kooperiert hätte. »Selbst nach all den Jahren?«, fragte Tora. »Gibt es denn keine Verjährungsfrist?«
»Ich fürchte nein. In Fällen wie diesem, wo Menschen das Leben verloren haben und absichtlich Beweismittel gefälscht wurden, um der Strafverfolgung zu entgehen …« Er schüttelte traurig den Kopf. Kim hatte keine Ahnung, ob ihre Worte der Wahrheit entsprachen, doch das spielte keine Rolle. Tora kaufte ihr die Geschichte für den Augenblick ab, und das war alles, was zählte.
»Wie verlässlich ist Ihre Information, Mr. Martin?«
Aha. Zeit zum Zuschlagen. Kim hatte erreicht, was sie erreichen wollte. »Absolut verlässlich, Dr. Kane.«
Tora starrte dem Anwalt in die Augen. »Falls ich Ihre Hilfe benötige, würden Sie zur Verfügung stehen?«
»Selbstverständlich«, antwortete Martin. »Es wäre mir eine Ehre.«
»Danke sehr.« Ihre Stimme klang unsicher.
»Ich hoffe, ich konnte Ihnen behilflich sein, Dr. Kane. Guten Tag.«
Kim unterbrach die Verbindung.
Sie verließ die Zelle und benutzte ihren Kommlink, um Shepard anzurufen und sich mit ihrem Überwachungssystem verbinden zu lassen. Der Transmitter an Tora Kanes Flieger würde Kim alarmieren, falls sie irgendwohin flog, und das Abhörgerät auf dem Dach würde jedes Gespräch aufzeichnen, das sie im Haus führte.
Kim spazierte durch die Einkaufsstraße. Nur ein paar Läden hatten geöffnet. Einer davon führte Sportartikel, und sie sah sich gerade Badeanzüge an, als der Alarm losging.
»Was gibt’s, Shep?«, fragte sie in ihren Kommlink.
»Sie ruft im Mighty Third Museum an. Möchtest du mithören?«
»Bitte.«
Sie hörte das Freizeichen in der Leitung. Dann antwortete eine automatische Stimme. »Guten Morgen, Sie sind verbunden mit dem Mighty Third Museum. Was kann ich für Sie tun?«
»Könnte ich bitte mit Mikel Alaam sprechen?«
»Wen darf ich melden?«
»Tora Kane.«
»Einen Augenblick bitte, ich werde nachsehen, ob er im Hause ist.«
Während Tora wartete, fiel Kim wieder ein, dass Markis Kane Präsident der Scarlet Sleeve Society gewesen war. Und Veronica King.
Versteckt vor aller Augen.
Der Gestohlene Brief.
Ein Beobachter hätte gesehen, wie unvermittelt ein Lächeln um Kims Mundwinkel spielte. Ich will verdammt sein, dachte sie.
»Hallo, Tora. Schön, von dir zu hören. Wie geht es dir?« Kim erkannte Mikels höfliche Tenorstimme.
»Ganz gut, Mikel, danke.« Sie zögerte. »Es ist eine Weile her.«
»Ja, das ist es.« Er ist verlegen, dachte Kim. Wahrscheinlich ist es das erste Mal, dass er mit ihr redet, seit die Ausstellung über ihren Vater abgebaut worden ist. »Was kann ich für dich tun?«
»Bist du am späteren Vormittag im Museum?«
»Ja, ich bin hier. Ich habe um halb elf eine Konferenz. Wolltest du vorbeikommen?«
»Ja. Falls es dir passt.«
»Tora, es tut mir wirklich Leid wegen dieser Geschichte.«
»Ich verstehe, Mikel. Es ist nicht deine Schuld.« Ihr Tonfall sagte etwas anderes. »Wann hast du Zeit?«
»Die Konferenz dauert nicht länger als eine Stunde. Danach stehe ich dir zur Verfügung.« Kim bemerkte ein Zögern in seiner Stimme. Er glaubt wohl, sie will vorbeikommen, um für ihren Vater zu sprechen.
»Können wir zusammen Essen gehen?« Es schien mehr ein Befehl als eine Frage.
»Ja, gern. Das wäre schön.«
Sie unterhielten sich noch ein wenig über Belanglosigkeiten, wie schön, wieder von dir zu hören, ich wollte die ganze Zeit mal anrufen, aber ich hatte immer so viel zu tun und so weiter. Sie versicherten sich noch einmal, dass sie sich auf das gemeinsame Essen freuten, und beendeten die Unterhaltung.
So weit, so gut. Was als Nächstes?
Versteckt vor aller Augen.
Sie hatte gehofft, Tora Kane zu den Hunter- Logbüchern folgen zu können. Möglicherweise wollte Tora die Aufzeichnungen vernichten, sobald sie sie in ihren Besitz gebracht hatte. Kim nahm an, dass Kanes Tochter zu sehr Wissenschaftlerin war, um so etwas zu tun, doch man konnte nie wissen. Jedenfalls schien sie Glück zu haben. Sie hatte
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