Spuren im Nichts
haben Starterlaubnis.«
Kane informierte seine Passagiere, dass die Hunter in sechzig Sekunden ablegen würde. Dann legte er seine Sicherheitsgurte an.
Kim sah alles noch einmal: den Start der Hunter, Kanes Warnung an Kile Tripley im Verlauf der ersten Minuten der Reise, dass die Hunter nach der Rückkehr eine Generalüberholung benötigte, der Wechsel in den Hyperraum. Sie sah die Passagiere einen nach dem anderen auf die Brücke kommen und lauschte den inzwischen vertrauten Unterhaltungen. Sie ließ die Phasen, in denen Kane allein auf der Brücke war, im schnellen Vorlauf passieren.
Die Besatzung der Hunter unterhielt sich über das, was sie im Goldenen Kelch zu finden hoffte. Über ihren Traum.
Nichts anderes zählte.
Tripleys sich wiederholende Versicherungen, dass sie es diesmal schaffen würden, enthielten im Nachhinein eine bittere Note.
Einmal mehr beobachtete sie Kanes intimen Umgang mit ihrer Schwester Emily.
Sie saß in düsterer Stimmung da und sah die Aufzeichnungen an. Sie rechnete nicht damit, dass es Abweichungen geben könnte, bevor die Hunter beim Alnitak ankam. Sie sollte sich irren.
Es war fast drei Uhr nachts am sechsten Tag, als Kane in einem Morgenmantel und mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf der Brücke erschien. Er setzte sich, überprüfte seine Instrumente, blickte auf die Uhr und aktivierte seine Sicherheitsgurte. »Alles herhören, schnallt euch bitte an.«
Stimmen drangen über den Interkomm.
Yoshi: »Kann mir vielleicht mal jemand sagen, was los ist?«
Emily: »Wir haben eine Überraschung für dich.«
Yoshi: »Mitten in der Nacht?«
Tripley: »Ja. Mitten in der Nacht. Du wirst es nicht bereuen.«
Yoshi: »Und was bitteschön soll das sein? Markis, was hast du vor?«
Kim hielt die Aufzeichnung an, setzte sich in ihrem Sessel zurück und starrte auf Kanes Gesicht im Schein der Instrumente. In der manipulierten Version war von dieser Szene nichts zu sehen gewesen.
Keine Überraschung für Yoshi.
Jetzt wusste sie, warum Walt Gaerhard, der Techniker von Interstellar, sich geweigert hatte, etwas von der Reparatur an den Sprungmotoren zu erzählen, die er mit seinem Namen unterschrieben hatte.
Es hatte keine Reparatur gegeben.
Die Hunter hatte nie einen Maschinenschaden gehabt.
28
Wir schätzen Wahrheit – nicht, weil wir von Prinzipien beherrscht wären, sondern weil wir neugierig sind. Wir wiegen uns gerne in dem Glauben, dass wir keine Manipulation von Fakten tolerieren. Doch das genaue Wissen, was sich ereignet hat, richtet häufig mehr Schaden an, als dass es nützt. Mysterien und Mythologie sind deswegen ein sicherer Weg, weil sie jeglicher Manipulation zugänglich sind. Die Wahrheit, Ladys und Gentlemen, ist schlicht überbewertet.
- E.K. WHITLAW, Plädoyer beim Amtsenthebungsverfahren von Mason Singh, 2087 A.Z.
Aus den Logbüchern der Hunter,
17. bis 19. Februar 573
»Das ist das Allerschönste, was ich je gesehen habe.« Das war Yoshis Stimme. Doch nur Kane war zu sehen. Er saß entspannt in seinem Sitz. Er blickte zur Rechten und auf irgendetwas, das außerhalb der Sichtweite der Kamera lag. Kim rief sich die Brücke der Hunter ins Gedächtnis und wusste, dass er aus dem großen Doppelfenster blickte. Auf dem vorderen Hauptschirm war die Alnitak-Region zu sehen, die gewaltigen Wolken, die dunkle Masse des Pferdekopfnebels, die leuchtenden Gaswolken von NGC2024, die Riesensonne selbst und die geschwungenen Ringe des Gasriesen.
»Wir dachten, das solltest du nicht verpassen.« Diesmal redete Emily. »Es gibt nichts Vergleichbares, wo wir bisher gewesen sind.«
Jetzt trat Emily ins Bild und setzte sich in den linken Pilotensitz.
»Ich denke«, sagte Yoshi, »wir sollten heute Abend draußen auf einer der Terrassen zu Abend essen.«
»Genau das, was wir vorhatten.« Das war Tripley. Aus Emilys und Kanes Körpersprache schloss Kim, dass die anderen nicht auf der Brücke waren. »Genau genommen ist es schon so etwas wie eine Tradition bei uns. Das machen wir jedes Mal, wenn wir hier draußen sind.«
Etwas auf dem Instrumentenpaneel erweckte Kanes Aufmerksamkeit. Er regelte ein paar Einstellungen nach, blickte auf seine Schirme und runzelte die Stirn. »Hey, das ist interessant.«
»Was denn, Markis?«, fragte Tripley.
»Ich weiß nicht. Wir haben ein Echo …«
»Was für ein Echo?«
»Metall. Es bewegt sich fast senkrecht zur Ebene des Systems.«
Emily beugte sich vor, um einen besseren Blick auf den Schirm zu haben. »Hat das
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