Spurlos in der Nacht
wollte er auch noch mit ihr über das Gerücht, über Solvi Steen und das Blut sprechen.
Alexander stürzte dem Auto entgegen, sobald der Ermittler auf dem Kiesweg vor dem Haus hielt. Er rief irgendetwas und hob die eine Hand.
«Ehrbehr», stöhnte er. «Ehrbehr.» Cato Isaksen lächelte und ließ sich die rotweiße Beere überreichen. «Eif», sagte der Junge und wischte sich mit dem Unterarm die Nase.
Maikens Mutter kam vom Feld und fuhr sich dabei mit den Händen über die grüne, verschmutzte Hose. «Die ist noch nicht ganz reif, Alexander», sagte sie.
Cato Isaksen entdeckte Maiken, die sich am Waldrand tief bückte und dabei den Hintern in die Luft streckte.
«Tut mir Leid, dass ich schon wieder störe», sagte er zur Mutter. «Aber ich wollte nur kurz mit Maiken sprechen, ehe sie verschwindet.»
«Sie ist draußen auf dem Feld», sagte Laila Stenberg und lächelte müde. «Das nimmt wohl nie ein Ende, diese Sache mit Kathrine oder was meinen Sie?»
«Ich weiß nicht so recht», sagte er.
«Mir kommt das ganz grotesk vor, das mit Solvi Steen und dem Blut. Irgendwer in Kathrines Klasse hat das erzählt.» Sie hob die Hand über die Augen, um sie vor der Abendsonne zu schützen.
«Sie glauben, dass Kathrine noch lebt, oder?»
«Das wissen wir nicht. Aber es kann so sein», sagte er.
«Wir wollten die Ferien nutzen, um Maiken klarzumachen, dass das Leben weitergeht. Ich wünsche mir so, dass sie sich neue Freundinnen sucht, statt immer nur über die Sache mit Kathrine herumzubrüten. Das ist so destruktiv.»
«Das kann ich verstehen und dass ich immer wieder hier auftauche, ist sicher nicht gerade eine Hilfe.»
«Nein», sagte die Mutter kurz.
Cato Isaksen begriff diesen Wink, nickte und machte sich auf den Weg zu dem kleinen Feld. Eine Vogelscheuche aus Stöcken und Silberpapierstreifen stand in der Mitte. Auf dem angedeuteten Kopf saß ein großer Hut. Der Hut war aus grünem Tüll gefertigt. Er war abgenutzt und einwandfrei alt. Die Nachmittagssonne ließ die Silberstreifen auffunkeln.
Maiken stand jetzt aufrecht da und sah ihm entgegen, als er auf sie zukam.
Er nickte ihr kurz zu und versuchte, sich einen Lehmklumpen von einem Schuh zu wischen. Maiken lächelte ihn zaghaft an.
«Tolle Vogelscheuche», sagte er.
«Den großen Hut habe ich von Kathrine», sagte sie rasch. «Er stammt von ihrer Großmutter. Die hatte jede Menge alte Kleider und Hüte und so. Vor ewigen Zeiten durften wir uns einmal auf ihrem Dachboden verkleiden. Da standen mehrere Truhen mit alten Kleidern. Das hat Spaß gemacht.»
Cato Isaksen sah sie an. Warum redete sie so schnell?
Ein Huhn hatte sich aus dem Hühnerstall befreit und stolzierte jetzt am Feld entlang, wobei es ab und zu innehielt und mit dem Schnabel im Boden herumhackte.
Cato Isaksen bat Maiken noch einmal zu erzählen, was sie am Telefon gesagt hatte.
«Angeblich hat Solvi Steen sich mit Menschenblut eingerieben. Sie muss ja total verrückt sein. Aber ich weiß ja nicht, ob das wirklich stimmt», fügte sie hinzu und zuckte mit den Schultern.
Cato Isaksen sagte, er werde das überprüfen. «Hast du sonst noch etwas gehört», fragte er und wollte schon die Hand auf ihren Arm legen, besann sich dann aber und lächelte ihr nur kurz zu.
«Nein», sagte sie. «Nur, dass Stein Ove aus dem Militär geworfen worden ist. Stimmt das?»
Cato Isaksen nickte. «Das stimmt. Er hatte die Waffen. Die eine ist schon wieder aufgetaucht. Aber die andere, die, mit der möglicherweise Brenda Moen erschossen worden ist, ist noch immer verschwunden. Du hast nicht zufällig mehr gehört?»
Maiken Stenberg schüttelte den Kopf. Cato Isaksen wünschte ihr schöne Ferien und ging wieder über das Feld. Er spürte, dass sie hinter ihm hersah. Er schaute zum Gartenhaus hinüber. Die Tür war geschlossen. Er ging an der Vogelscheuche vorbei und empfand beim Anblick von Brenda Moens Hut ein leichtes Unbehagen. Der Stoff war löchrig und brüchig. Die Seide löste sich auf. Der alte Hut passte einfach nicht auf dieses Feld. Vorsichtig spielte der Wind mit den Silberstreifen. Er war traurig, weil Maiken verreisen würde. Ein törichtes Gefühl, das er sich nicht gestatten durfte.
Als er sich wieder ins Auto setzte und den Motor anließ, sah er noch immer die Vogelscheuche vor sich. Während er in Richtung Stadt fuhr, fiel ihm plötzlich das ausgestopfte Eichhörnchen ein, das früher im Bücherregal seines Großvaters gestanden hatte. Er wusste noch, wie sehr ihn das
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