Spurlos in der Nacht
anrief. Cato Isaksen schüttelte einige Fragen zum Fall Bjerke-Moen aus dem Ärmel. Blöde Fragen. Ellen durchschaute ihn garantiert. Sie sprachen kurz miteinander, dann sagte sie, sie müsse sich jetzt wieder um ihre Gäste kümmern. Cato Isaksen stand noch eine Weile mit dem Telefon in der Hand da, dann öffnete er die Gartentür. Die kühle Luft strömte herein, während der Kater um seine Beine strich.
Er blieb noch lange auf und trank noch mehr. Bestimmt hatten sie bei den Ermittlungen etwas übersehen. Die Arbeit an diesem Fall war geprägt von dem Gefühl, einen Schritt vor und einen zurück zu gehen. Immer einen Schritt vor und einen zurück. Helena Bjerke hatte vor ihrem Fenster keine Geräusche mehr gehört, und weitere SMS-Meldungen waren auch nicht eingetroffen.
Karsten Tonnesen war gekommen und hatte einen ganzen Tag gebraucht, wie Ingeborg Myklebust das gewünscht hatte, um die Details der beiden Fälle von vorn bis hinten durchzugehen. Natürlich war nichts Konkretes dabei herausgekommen. Es war unmöglich ein Profil des unbekannten Mörders zu erstellen, da sie keine Ahnung von seinem Motiv hatten. Cato Isaksen folgte Ingeborg Myklebusts Anordnung, sich mit den neuen Fällen zu beschäftigen. Er verteilte die Aufgaben an die anderen und widmete sich insgeheim weiter dem Fall Bjerke-Moen.
Eine alte Dame war erschossen worden, vielleicht durch Zufall von einem Verrückten. Er war sich aber ziemlich sicher, dass es kein Zufall gewesen war. Die eine Glock, die Stein Ove Hansen als Hehler von einem anderen Soldaten gekauft hatte, blieb verschwunden. Es konnte kein Zufall sein, dass Brenda Moen aller Wahrscheinlichkeit nach mit eben der Waffe erschossen worden war, die ihre Enkelin in ihrem Schrank aufbewahrt hatte.
Cato Isaksen erhob sich und versetzte einem Stuhl, der ihm im Weg stand, einen Tritt. Nervös griff er zu einem Buch, das auf dem Esstisch lag. Legte es wieder weg und ging in die Küche. Irgendwer kannte die Antwort. Er wusste, eine von den Personen, die sie vernommen hatten, hatte mit der Sache zu tun oder wusste etwas. Das Problem war nur, dass alle Puzzlestücke richtig zusammengesetzt werden mussten. Er musste die Verbindung finden, den roten Faden, den Zusammenhang.
55
Solveig Wettergren setzte sich in ihr kleines rotes Auto. Sie schaute kurz zu Tullas Wohnungsfenstern hoch. Eigentlich ärgerte sie sich ein wenig. Die Hochzeit des Kronprinzen rückte näher. Es blieben nur noch wenige Tage, und sie musste sich um alles kümmern. Tulla war nur hektisch und plapperte und plapperte und plapperte. Alf Boris hatte versprochen, ihnen das große Portrait von Königin Maud zu leihen. Eine Zeitung hatte nämlich von dem Klub der alten Damen erfahren. Nun sollte eine Reportage aus dem Hotelzimmer gemacht werden, sie sollten interviewt und fotografiert werden, während das Kronprinzenpaar vorüberfuhr. Solveig Wettergren freute sich eigentlich sehr darauf. Und da würde sie Tullas Passivität ertragen müssen. Beide wollten in ihrem feinsten Putz auftreten. Sie selbst hatte sich schon ein fantastisches frühlingsgrünes Seidenkleid gekauft. Und schönen Schmuck hatte sie ja vorher schon besessen.
Solveig Wettergren trat vorsichtig auf die Bremse. Ihr wurde kalt. Sie erkannte den zivilen Streifenwagen. Cato Isaksens Wagen stand vor ihrem Haus. Plötzlich sah sie ihn auf der Treppe. Die alte Dame hielt und schaltete den Rückwärtsgang ein. Dann setzte sie rasch zurück und bog in eine Auffahrt ab. Sie konnte den Polizisten im Moment einfach nicht ertragen. War nicht in der Stimmung. Warum schlich er die ganze Zeit um sie herum?
Nachdem Cato Isaksen eine Stunde lang auf Solveig Wettergren gewartet hatte, setzte er sich in den Wagen und fuhr zur Waldemar-Thranes-Gate weiter.
Tulla Henriksen war ebenfalls nicht zu Hause. Sie machte jedenfalls nicht auf. Cato Isaksen kaufte sich eine Zeitung, setzte sich vor dem Eingang zu dem alten Mietshaus in sein Auto und wartete. Er hatte sich überlegt, dass er vielleicht ein bisschen mehr über Brenda Moens Vergangenheit in Erfahrung bringen sollte. Das war vielleicht ein bisschen spät, aber er wollte sich eben ein Bild über frühere Zeiten verschaffen. Über die Jahre, in denen Kathrines Großmutter in der Kantine des Krankenhauses Ullevål gearbeitet hatte. Bisher hatten sie bei den Ermittlungen darauf keinen großen Wert gelegt. Nichts wies darauf hin, dass ihre Vergangenheit etwas mit dem Fall zu tun haben könnte. Vielleicht hatten sie aber trotz
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