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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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blickte ihn erschrocken an. Plötzlich merkte sie, dass sie kaum noch Luft bekam. «Nicht Mama», flüsterte sie.
    «Meinst du, ich will das hier noch weiter durchmachen müssen? Ich kann das nicht länger ertragen. Das ist einfach nur entsetzlich. Ich muss endlich Ordnung in mein Leben bringen. Leute, die keine Ahnung haben, können auch gleich verschwinden. Dann wird alles leichter.» Er ging zur Toilette und drehte den Wasserhahn auf.
    Kathrine schloss die Augen. Er durfte nicht sehen, dass die eine Krücke verschwunden war. Der Hahn ließ ein regelmäßiges Pochen hören, während das Wasser floss. «Es gehört mir, alles gehört mir», sagte er und feuchtete ein Handtuch an. «Ich habe mit Mama zusammen gewohnt, ich habe mich um sie gekümmert, habe für sie geputzt, habe dafür gesorgt, dass sie Essen im Haus hatte, dass sie etwas Warmes bekam.»
    Er drehte den Hahn wieder zu und legte sich das Handtuch auf die Stirn. «Mir gehört das alles», sagte er noch einmal. «Möbel, Schmuck, Kleider und Bilder. Du hast doch keine Ahnung, oder was?» Er ließ das Handtuch auf den Boden fallen. «Du bildest dir doch ein, dass alles in Ordnung kommt, aber im tiefsten Herzen bist du nicht so dumm. Im tiefsten Herzen weißt du, dass alles schon zu weit gegangen ist.» Alf Boris Moen fuhr sich mit den Fingern durch die Perücke. Sein Nagellack war hellrosa und klumpig aufgetragen.   
    Kathrine sah ihn an. Seine Bluse spannte über seinem Schmerbauch. Die falschen Brüste waren ein Stück zur Seite gerutscht. «Du bist gierig», sagte sie traurig. Worauf Alf Boris Moen in lautes Lachen ausbrach. «Und was ist mit dir, du hast mich doch erpresst, damit du dir immer wieder neue Klamotten kaufen konntest. Wir sind uns ähnlich, verstehst du. Schon als kleines Kind habe ich meine Mutter geliebt. Ihren Geruch, ihre Kleider, ihre Hüte, ihre Strümpfe. Naja, nicht, dass sie sich besonders gut angezogen hätte oder so.
    Nein, wichtig war alles andere, was dahinterlag. Die Traditionen. Die Sachen meiner russischen Großmutter. Du kannst dich nicht an sie erinnern, du, aber für mich war sie wunderbar. Bis Helena kam. Vorher zog sie mir weiße Kleidchen an. Machte mich fein, zeigte mich vor. Als Helena geboren wurde, war ich fünf.»
    Kathrine erhob sich langsam, schwankte ein wenig, blieb aber stehen und hielt sich an der Wand fest.
    «Setz dich», sagte er hart. Sie schaute ängstlich zu seiner Waffe hinüber. «Du kannst Mama nicht umbringen», sagte sie leise. «Dann begreift die Polizei, dass du es warst.»
    «Nein», sagte er entschieden. «Das tut sie nicht. Sie denken völlig falsch. Sie werden glauben, dass sie in den Wald gegangen ist, um sich das Leben zu nehmen. Aber sie werden sie niemals finden. Und wenn überhaupt, dann werden sie Tage verdächtigen.»
    «Tage?» Kathrine starrte ihn verständnislos an.
    «Er hat dich beim Duschen beglotzt, nicht wahr, dass hast du doch selbst an dem Abend gesagt, an dem ich dich abgeholt habe. Er ist ein Ekel, hast du gesagt.»
    Kathrine seufzte tief. «Das stimmt aber nicht», sagte sie. «Das hatte ich einfach nur so behauptet. Um überhaupt etwas zu sagen», fügte sie zu ihrer Entschuldigung hinzu. «Um mich wichtig zu machen. Er ist einmal aus Versehen ins Badezimmer gekommen. Das war wirklich nur ein Versehen. Maiken übernachtete bei uns und plötzlich hatte ich mir eine Geschichte aus den Fingern gesogen.»
    «Aber das spielt keine Rolle. Die Polizei glaubt daran, und Helena wird ebenfalls sterben», sagte er. «Helena ist hier, hier draußen.» Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen boshaften Lächeln. Er hob den Zeigefinger an den Mund und wischte sich den einen Mundwinkel.

68
    Plötzlich stand die fremde Frau vor ihr im Wald. Helena Bjerke, die nass geworden war und inzwischen fror, saß auf dem Baumstamm und wartete auf ihren Bruder. Sie schaute erstaunt zu der Frau hoch. Sie hatte sie nicht kommen hören. Die Frau war stark geschminkt und ihre Augenbrauen waren mit einem schmalen schwarzen Strich nachgezogen. Ihr Mund war mit orangerotem Lippenstift vollgeschmiert. Helena starrte und starrte. Ihr Gehirn mühte sich wirklich ab. Langsam erkannte sie die Züge im Gesicht dieser alternden Person. Plötzlich ging ihr auf, dass etwas Schreckliches auf sie zukommen würde. Sie hätte sich gern erbrochen. Das konnte doch unmöglich die Wahrheit sein?
    «Jetzt ist die Zeit gekommen», sagte Alf Boris Moen mit gekünstelter Stimme. «Du hast nie irgendwas begriffen, oder

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