Spurlos in der Nacht
Preben nickte. Sie gingen in eins der kleinen neuen Bistros im Nebengebäude. Dort wimmelte es von Geschäftsleuten und jungen Müttern. Die beiden Ermittler konnten sich ganz hinten im Lokal an einen Metalltisch pressen. Die Ciabatte schmeckten gut, und Espresso und Caffe latte ebenso.
«Wie fandest du ihn?» Cato Isaksen trank einen Schluck Kaffee aus seinem hohen Glas.
«Glatt», sagte Preben Ulriksen. «Aber natürlich hängt er an seiner Tochter. Daran habe ich keine Zweifel. Seltsam übrigens, dass er so gut über Tage Wolter spricht. Das finde ich nicht ganz überzeugend.»
«Vielleicht ist er froh darüber, dass Wolter seine Exfrau übernommen hat.»
Preben Ulriksen grinste. «Ja, du musst das ja wissen», sagte er.
Cato Isaksen lächelte zurück und biss in seine Ciabatta. Er durfte nicht vergessen, für seinen Sohn ein Telefon zu kaufen.
Nach dem Essen fuhren sie auf schnellstem Weg nach Frogner. Cato Isaksen log und behauptete, für seine Mutter etwas abgeben zu müssen. Preben sagte, er könne im Wagen warten. Cato Isaksen wollte nur schnell vorbeischauen und nach ihr sehen. Das Bild vom letzten Besuch, seine schlafende Mutter im halbdunklen Zimmer, machte ihm zu schaffen.
Gyda Isaksen war sichtlich überrascht, als ihr Sohn plötzlich in der Tür stand.
Cato Isaksen sah seine Mutter an. Er wusste nicht, ob sie sich über seinen Anblick freute oder nur darüber staunte.
«Cato», sagte sie leise und streckte die dünne Hand nach ihm aus. Sie wollte nach den Enkeln fragen, konnte sich aber plötzlich nicht an deren Namen erinnern. Er ging zu ihrem Bett und nahm ihre Hand. Drückte sie vorsichtig. Die Hand seiner Mutter gab fast keine Wärme ab. Er sagte, er müsse sofort weiter, habe einfach nur nach ihr sehen wollen. Sie schien das zu wissen. Vielleicht sah sie deshalb nicht wirklich froh aus. Er hatte nie Zeit, um zu bleiben. «Ein Kollege wartet draußen im Auto», sagte er und ließ ihre Hand los. «Wir arbeiten an einem schrecklich schwierigen Fall. Eine alte Dame ist ermordet worden.» Er bereute diese Worte sofort. Er hätte ihr nichts von der alten Dame erzählen dürfen. Vielleicht würde ihr das Angst machen. Aber sie lächelte ihn tapfer an und hob die Hand zu einem kleinen Winken. Auf der Fensterbank stand eine halb verwelkte Topfblume. Er schaute die Fotos an der Wand an. Der Heizkörper an der Wand tickte leise. Der Tulpenstrauß, der bei seinem letzten Besuch auf dem Nachttisch gestanden hatte, war verschwunden.
«Ich komme bald wieder», sagte er. «In den nächsten Tagen.»
Seine alte Mutter nickte, dann seufzte sie und drehte sich um. Weinte sie? Das wusste er nicht. Er hätte es nicht ertragen, wenn sie geweint hätte. Als er die Tür hinter sich schloss, fiel sein Blick auf ihre Pantoffeln, die an der einen Wand standen. Auf dem Gang nahm er den süßlichen, schweren Essensgeruch wahr. Mehrere alte Damen und ein Mann drückten sich an der Wand entlang in Richtung Speisesaal. Eine Toilettentür stand offen. Er sah die hellgrünen Fliesen, registrierte, dass die Seife auf den Boden gefallen war. Hier und dort wies der Linoleumboden hässliche Flecken auf.
16
Am nächsten Tag kaufte Cato endlich das Telefon, das er seinem Sohn versprochen hatte. Nach der Frühbesprechung lief er los und nahm genau die Marke, die Vetle sich besonders wünschte. Dann holte er sich im Imbiss gegenüber einen Hamburger und verschlang ihn in den drei Minuten, die er brauchte, um zur Wache zu fahren und Randi Johansen aufzulesen. Sie wollten nach Baerum, um mit Kathrine Bjerkes überlebender Großmutter zu sprechen. Randi hatte sie angerufen und sich für zwölf Uhr angemeldet.
Kathrine Bjerkes andere Großmutter, die Magnhild Bjerke hieß, war eine alte feine Dame aus dem Nobelviertel Baerum.
«Es ist zehn nach zwölf», sagte sie als Erstes, als sie die blaue Tür der braunen Holzvilla öffnete. «Sie wollten um zwölf hier sein.»
«Bedaure», sagte Cato Isaksen und wischte sich diskret den Mund. Er hatte das Gefühl nach Hamburger zu stinken. «Wir haben im Moment einen ziemlich vollen Zeitplan.»
«Ja, ja, das sehe ich ja ein», sagte die alte Dame gereizt. «Aber ich rege mich einfach so auf. In der letzten Zeit sind so schreckliche Dinge passiert. Und dabei habe ich sonst so gern Kriminalromane gelesen. Ich hatte gerade mit dem neuen von Anne Holt angefangen, aber den musste ich weglegen. Ich kann das nicht mehr ertragen.»
Magnhild Bjerke redete ununterbrochen, als sie die Gäste ins
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