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Spurlos in der Nacht

Spurlos in der Nacht

Titel: Spurlos in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unni Lindell
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bis zu den Osterferien, und fast auf den Tag genau vier Wochen nach dem Verschwinden von Kathrine. Plötzlich kam ihm eine ganz klare Kindheitserinnerung. Er wusste, dass es mit dem eiligen Besuch im Frognerheim zu tun hatte. Das Gefühl von Verlust, das Gefühl, nie genug zu tun. Er glaubte, dieses Gefühl schon immer gehabt zu haben. Plötzlich war die Erinnerung glasklar. Er war vielleicht drei oder vier Jahre alt. Es war Herbst, er erinnerte sich an die reine und unangenehm klare Luft. An den Schal, der ihm vor den Mund geweht wurde. An den Himmel, der so blau war, dass es hässlich aussah. Er wollte nicht im Kindergarten sein. Er verabscheute den hohen Zaun. Seine Mutter war die Einzige, die ihn vor dieser schrecklichen Einsamkeit retten konnte. Die anderen Kinder waren öde Berggipfel, fremde Steine, verkleidete Hexen. Aber seine Mutter rettete ihn nicht, so sehr er auch weinte. Sie hörte ihn nicht hinter dem Schal, der nach trockener Wolle roch und seinen Mund zerkratzte. Ihr Rücken unter dem Mantel verschwand unten auf der Straße und war ebenso hässlich wie der Himmel. Er rief nach ihr, aber sie hörte ihn nicht. Später an diesem Tag kam Nebel auf, der sich wie Watte um den Baum im Kindergarten legte. Er hatte seiner Mutter nie von dieser Episode erzählt. Jetzt hatte er dasselbe Gefühl wie damals. Etwas sagte ihm, dass Kathrine Bjerke entsetzlich einsam gewesen sein musste.     
     
    Eine junge Mutter mit einem Kinderwagen stand an der Bushaltestelle. Cato Isaksen überquerte die Straße. Es herrschte ziemlich reger Verkehr. Er hatte den Zivilwagen auf der anderen Seite geparkt, halbwegs im Straßengraben. Auf dem Rückweg zum Wagen beschloss er, das kurze Stück zur Mautbude zu Fuß zu gehen. «Für Fußgänger verboten», stand auf einem gelben Schild. Er ging trotzdem weiter, überquerte den Asphalt mit den weißen Bremsstreifen und steuerte die kleinen Glashäuschen an, in denen die Mautwächter saßen und das Geld entgegennahmen. Er hatte den nächststehenden fast erreicht, als er die Frau im hintersten Häuschen erkannte. Er blieb stehen und ließ zwei Autos vorüberfahren.
    Die Frau hatte ihm den Rücken zugewandt, aber er wusste trotzdem, dass er sie schon einmal gesehen hatte. Sein Gehirn mühte sich ab, um sie zu identifizieren. Die Frau hatte sich halb zu einem Autofahrer umgedreht, um ihm Wechselgeld zu geben. Jetzt konnte er ihr ganzes Gesicht sehen. Es war Mai Britt Hansen, die Mutter von Kathrine Bjerkes Freund. Hier arbeitete sie also, wenn sie von ihren Dienstzeiten sprach. Warum hatte sie das nicht erwähnt?
    Cato Isaksen betrachtete den Staub, der vom schmutzigen Asphalt hochgewirbelt wurde, als ein LKW vorüberfuhr. Der Motor brummte wütend, dann verschwand der Wagen im dunklen Tunneleingang.
    Cato Isaksen ging hinüber und klopfte an die Fensterscheibe. Mai Britt Hansen fuhr zu ihm herum. Er sah, dass sie ihn erkannt hatte. Sie musterte ihn einige Sekunden lang besorgt, dann öffnete sie das Fensterchen und begrüßte ihn kurz. Ein weiterer LKW donnerte vorbei und hüllte sie in Wolken von Auspuffgasen.
    «Was ist los?», fragte sie und sah plötzlich verängstigt aus. «Ist etwas passiert?»
    Cato Isaksen schüttelte den Kopf. «Ich wollte mich hier nur mal umsehen», erklärte er. «Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie hier arbeiten?»
    «Sie haben nicht danach gefragt», sagte sie eilig.
    Cato Isaksen schob beide Hände in die Taschen. Ihm fiel auf, wie schmutzig die Fenster des Glashäuschens waren. 
    «Hatten Sie Dienst in der Nacht, in der Kathrine verschwunden ist?»
    «Ja», sagte sie rasch. «Ich habe um zwölf Schluss gemacht.»
    «Um Mitternacht also?»
    Sie nickte.
    Cato Isaksen fiel die Autofahrerin ein, die Kathrine gegen zehn nach zwölf an der Bushaltestelle gesehen hatte. Er beschloss, noch einmal mit dieser Zeugin zu sprechen. Vielleicht war irgendetwas übersehen worden.
    Ein Wagen fuhr neben ihm vor. Er trat vom Fenster zurück. Die junge Fahrerin hielt einen Fünfziger aus dem Fenster. Mai Britt Hansen nahm die Banknote mit geübtem Griff, riss ein Ticket ab, drückte auf den Knopf, der die Schranke öffnete und wünschte routinemäßig gute Fahrt. Cato Isaksen schaute hinter dem Wagen her, als der auf den dunklen Tunneleingang zusteuerte. Dann wandte er sich wieder Mai Britt Hansen zu.
    «Haben Sie Kathrine in der fraglichen Nacht gesehen?», fragte er.
    «Nein», sagte sie rasch. «Ich habe nichts gesehen. Man sieht die Bushaltestelle von hier aus

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