Spurlos in der Nacht
Hose stieg, sagte, um fünf vor zwölf, wie immer. «Ich komme nie zu spät. Man kriegt es ziemlich satt, nachts zu arbeiten. Und es ist kalt. Wir haben zwar einen Heizstrahler für die Füße, aber trotzdem.»
«Wann hat Mai Britt Hansen die Mautstation verlassen?»
«Ich habe kurz mit ihr geredet, wie immer. Dann war sie weg. Zwei Minuten nach zwölf, nehme ich an.»
«Und Sie haben Kathrine Bjerke nicht gesehen, als Sie die Straße entlanggefahren sind?»
«Ich fahre nicht. Ich habe kein Auto. Ich nehme mit dem Rad eine Abkürzung. Das ist fast schon ein Trampelpfad, und deshalb habe ich sie nicht gesehen.»
Cato Isaksen war davon überzeugt, dass der Student die Wahrheit sagte, wenn er behauptete, Kathrine nicht gesehen zu haben.
«Kennen Sie Kathrine Bjerke?», fragte er jetzt.
«Nein», sagte Nils Bergman. «Aber ich kenne Kenneth.»
Ehe Cato Isaksen diese neue Information analysieren konnte, hatte Nils Bergman ihm schon erklärt, er sei eng mit Kenneths älterem Bruder Stein Ove befreundet.
«Stein Ove, ja», sagte Cato Isaksen. «Der ist beim Militär.»
Nils Bergman nickte.
«Wie finden Sie eigentlich Kenneth?»
«Wie meinen Sie das?»
«Genau so, wie ich gefragt habe. Wie finden Sie ihn?»
Nils Bergman war sichtlich verwirrt. «Haben Sie etwas herausgefunden?», fragte er und sah plötzlich ängstlich aus.
«Nein», sagte Cato Isaksen. «Ich habe Ihnen nur eine Frage gestellt.»
Nils Bergman verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein. «Er ist vielleicht ein bisschen eigen», sagte er schließlich. «Sie sind sehr verschieden, die drei Brüder.»
«In welcher Hinsicht?»
«Ach, ich weiß nicht.»
Cato Isaksen starrte ihn neugierig an. Warum sagte er nicht einfach, was er meinte?
«Nein, ich weiß nicht», wiederholte Nils Bergman müde. «Ich denke wohl vor allem an diese Ticks von André, dem mittleren.»
«Was sind das für Ticks?»
Nils Bergman machte ein Gesicht, als habe er Angst, in eine Falle gelockt zu werden. «André ist total vergafft in Computerkram. Die anderen sind irgendwie viel schlaffer.»
«Kennen Sie André?»
«Ja», sagte Nils Bergman.
Cato Isaksen drehte einige Runden über den abgenutzten Linoleumboden und dachte nach. «Glauben Sie, Kathrine kann von einem Auto mitgenommen worden sein, das danach durch die Mautschranke und weiter durch den Tunnel gefahren ist?»
«Um diese Zeit geht jedenfalls kein Bus mehr.» Der Student zog sich einen Pullover über den Kopf, dann fügte er hinzu: «Ich habe in der Nacht kein Mädchen in einem Auto gesehen. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Und um diese Zeit kommen da nicht mehr viele Wagen vorbei. Dann sind vor allem Lastwagen unterwegs.»
Cato Isaksen dachte an die Berichte der Kollegen aus Folio. Die hatten sich große Mühe gegeben, um sich eine Übersicht der Lastwagen zu verschaffen, die in dieser Nacht unterwegs gewesen waren. Es gab Videoaufnahmen der Wagen, die die Mautschranke passierten. Die Nummernschilder waren zu sehen, die Menschen in den Wagen aber nicht. Die Fahrer waren befragt worden, aber das alles hatte nichts gebracht.
«Wenn ein LKW sie mitgenommen hat, hätten Sie sie dann überhaupt sehen können?»
«Wohl kaum. Ich sehe ja kaum den Fahrer. Die Wagen sind so hoch.»
«Ja, genau», murmelte Cato Isaksen vor sich hin. «Wie gut kennen Sie eigentlich Mai Britt Hansen?»
«Die ist doch die Mutter meines besten Freundes. Ich kenne sie ziemlich gut.»
«Welchen Eindruck hatten Sie von ihr, als Sie sie in der fraglichen Nacht abgelöst haben?»
«Welchen Eindruck? Jetzt verstehe ich nicht, was Sie meinen.»
«War sie wie immer?»
«Ganz wie immer. Meinen Sie, sie hat etwas mit der Sache zu tun?»
Cato Isaksen schüttelte den Kopf. Plötzlich fiel sein Blick auf eine grüne Uniform, die hinter der Wohnungstür über einem Stuhl hing. Es war eine Uniform in Tarnfarben.
«Was ist denn das da?», fragte er.
«Das ist meine Felduniform. Ich bin Gruppenführer in der Jugendabteilung der Heimwehr.» Nils Bergman kratzte sich am Arm.
Cato Isaksen starrte ihn einen Moment lang an.
«Wie lange machen Sie das schon?»
«Seit ein paar Jahren. Stein Ove hat mich dazu überredet. Er ist ein ziemlicher Militärfreak, wenn ich das so ausdrücken darf.»
«Haben Sie sich vielleicht auch an der Suche nach Kathrine beteiligt?»
Nils Bergman berichtete, dass er zwei Tage lang gesucht hatte, zusammen mit dem Roten Kreuz und Freiwilligen. Er sagte, es sei eine ganz besondere Erfahrung gewesen. Im
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