Spurlos in der Nacht
egal. Ich finde es schrecklich, mich herausstaffieren zu müssen.»
«Hat Kathrine sich dafür interessiert?»
«Aber absolut nicht», sagte Helena Bjerke sofort. «Als sie noch klein war, hat meine Mutter ihr immer wieder schöne Kleider genäht. Wir haben manchmal Witze darüber gemacht, Kathrine und ich, haben gesagt, wir müssten jetzt zur Königin zur Audienz. Aber das war nicht böse gemeint. Eigentlich fand ich es ja auch niedlich, wie sehr die drei alten Damen sich da engagiert haben.»
19
Es war nicht leicht, mit Nils Bergman in Kontakt zu treten. Der junge Mann, der in der Nacht von Kathrines Verschwinden Mai Britt Hansen an der Mautstation abgelöst hatte, wollte offenbar nicht mit der Polizei sprechen. Cato Isaksen hatte immer wieder vergeblich Nils Bergmans Handynummer angerufen, und obwohl er die Bitte um Rückruf hinterlassen hatte, meldete Nils Bergman sich nicht. Deshalb beschloss der Ermittler, ohne vorherige Verabredung zu ihm nach Drøbak zu fahren. Er passierte langsam die dortige Hauptstraße, wo Menschen und Autos sich um freie Parkplätze drängten. Er hielt unten am alten Hafen, um dem Chaos zu entgehen. Ehe er sich zu Bergman begab, wanderte er zweimal durch die Hauptstraße hin und her. Am Ende stand er wieder am Hafen, dort, wo früher die Fähre aus Storsand angelegt hatte, ehe der Tunnel gebaut worden war. Er trat ans Hafenbecken und schaute ins Wasser. Konnte Kathrine vor ihrem Verschwinden hier gewesen sein? Das Wasser dort unten bewegte sich, als ob das Meer atmete. Gleichmäßig und ruhig, mit einem leisen Zischen. Die schwarze Oberfläche spielte an der Mauerkante und wurde von ihr durchbrochen. Ganz plötzlich fiel ihm der zersplitterte Spiegel ein. Spiegelflächen sehen Wasser zum Verwechseln ähnlich. Brenda Moen hatte so viele seltsame Dinge an den Wänden gehabt. Das große Porträt von Königin Maud war schön. Aber aus irgendeinem Grund war ihm unwohl beim Gedanken an dieses Bild. Er hatte sich das bisher nicht überlegt, aber es lag an der unnatürlich schmalen Taille der Königin und an ihrem traurigen Gesicht. An dem senfgelben Kleid und den dunklen Haaren. Die Farben schienen einander auf irgendeine Weise zu hassen. Er war plötzlich davon überzeugt, dass es sich um ein überaus wertvolles Bild handeln musste.
Dann stand Cato Isaksen wieder im Hinterhof in der Torggata.
Er versuchte durch ein kleines viereckiges Fenster zu schauen, das ein Stück von der Tür entfernt angebracht war, aber das Fenster war von etwas verdeckt, das ihm vorkam wie ein Bettbezug. Der Ermittler schlug noch zweimal dröhnend an die Tür und wollte gerade wieder gehen, als geöffnet wurde. In der Türöffnung erschien ein junger Mann in Boxershorts. Der Fahnder hatte ihn offenbar geweckt. Eine Wange wies noch den Abdruck des Bettzeugs auf, und die bräunlichen, dichten Haare waren struppig und standen an einer Seite zu Berge.
Cato Isaksen stellte sich vor. «Es geht um das verschwundene Mädchen», sagte er. «Sind Sie Nils Bergman?»
Der junge Mann nickte. Er schien zu frieren, machte aber keinerlei Anstalten, den Ermittler ins Haus zu bitten.
«Sie haben einige Minuten, ehe Kathrine Bjerke zuletzt gesehen wurde, Ihren Dienst an der Mautstation angetreten, am 20. Februar», sagte Cato Isaksen. «Stimmt das?»
«Ja.» Der junge Mann fuhr sich kurz durch die Haare.
«Wissen Sie genau, wann Sie dort eingetroffen sind?»
«Ich bin in dieser Sache schon vernommen worden.»
«Das mag sein, aber es sind Dinge geschehen, die uns dazu zwingen, diese Runde noch einmal zu drehen, wenn ich das so sagen kann.»
«Haben Sie sie gefunden?»
«Nein.»
Jetzt bat Nils Bergman den Ermittler ins Haus.
«Aber hier ist alles reichlich chaotisch», sagte er.
Da hatte er Recht. Die Wohnung, wenn das die richtige Bezeichnung dafür war, bestand aus nur einem Zimmer. In einer Ecke stand eine kleine Anrichte. An den Wänden klebte eine abgeblätterte alte Tapete mit blauen Blumen. Unter dem einzigen Fenster, das verhängt war, stand ein altes Sofa mit einer Daunendecke ohne Bettbezug. Die Decke hatte braune Streifen am Rand. Cato Isaksen versuchte sich nichts anmerken zu lassen. «Was studieren Sie?», fragte er.
«Einführungskurs», sagte Nils Bergman. «Philosophie und so. Und nebenbei jobbe ich an der Mautstation.»
Der Ermittler nickte und wiederholte seine Frage von vorhin.
«Wissen Sie noch, wann Sie in dieser Nacht Ihren Dienst angetreten haben?»
Der Student, der gerade in seine
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