Spurlos in der Nacht
da?» Cato Isaksen lächelte entwaffnend.
«Ich weiß nicht mehr genau, fünf, sechs und neun vielleicht, so ungefähr», sagte Mai Britt Hansen.
Plötzlich stand Kenneth Hansen in der Tür. Er war ganz leise hereingekommen. Es war deutlich, dass er sich über den Anblick der Ermittler nicht freute.
Cato Isaksen vergeudete keine Zeit. Er erzählte kurz von dem T-Shirt, das sie in Maiken Stenbergs Gartenhaus hinter einer Kommode gefunden hatten.
Kenneth Hansen musterte ihn misstrauisch. «Na und?», fragte er.
Seine Mutter schaltete sich ein. «Ein T-Shirt? Was soll das bedeuten?»
«Darauf steht , sagte Cato Isaksen. «Gehört das dir?»
Kenneth Hansen schüttelte den Kopf. Seine Mutter war blass geworden.
«Maiken sagt, es sei deins.»
«Na und? Eigentlich hat André solche fetzigen Teile.»
«Hast du dieses T-Shirt vielleicht mal angehabt?»
«Das kann schon sein», sagte Kenneth Hansen jetzt eher kleinlaut. «Aber was soll das, was ist denn so wichtig an diesem Hemd?»
«Es ist total voll Blut», sagte Roger Høibakk kurz.
Mai Britt Hansen hatte sich auf einen Stuhl setzen müssen. Jetzt schlug sie die Hand vor den Mund und starrte die Tischplatte an. «Das war nicht Kenneth», murmelte sie. «Er hat nichts damit zu tun. Er hat doch sogar Kathrines Mutter besucht.»
Das war die Gelegenheit, auf die Cato Isaksen schon gewartet hatte.
«Kathrines Mutter hat erzählt, dass du bei deinem letzten Besuch in Kathrines Zimmer herumgeschnüffelt hast», sagte er. «Hast du da etwas Besonderes gesucht?»
«Herumgeschnüffelt?» Kenneth lief flammendrot an. Er wurde lauter. «Verdammt, das hab ich nicht.»
«Was hast du dort gemacht?»
Kenneth Hansen schwieg.
«Was hast du dort gemacht?», fragte Cato Isaksen noch einmal.
«Ich werd mir ja wohl noch das Zimmer von einer Verschwundenen ansehen dürfen.» Kenneth Hansen musterte ihn beleidigt.
«Sie waren doch zusammen», sagte Mai Britt Hansen kläglich.
Diese Unterstützung durch seine Mutter gab ihm seinen Kampfeswillen zurück. «Vielleicht finde ich es ja traurig, dass Kathrine verschwunden ist. Sind Sie noch nie auf die Idee gekommen?», fragte er mit harter Stimme. «Und meinen Sie vielleicht, dass ich lüge?»
Die Ermittler gaben keine Antwort.
Kenneth Hansen registrierte ihre Ablehnung und reagierte mit einem Wutausbruch. Er riss die Jacke an sich, die er über einen Stuhl geworfen hatte, und stürzte aus dem Zimmer. Sie hörten, wie die Haustür hinter ihm ins Schloss fiel.
Cato Isaksen schaute zu Mai Britt Hansen hinüber. Sie sah elend aus. «Das halte ich bald nicht mehr aus», jammerte sie. «Was glauben Sie denn, was Kenneth angestellt hat?»
Cato Isaksen und Roger Høibakk fuhren in getrennten Wagen ins Zentrum. Sie hielten vor dem Seven-Eleven-Kiosk. Cato Isaksen fand einen freien Platz zum Parken, stellte den Zivilwagen ab und zog die Handbremse an. Roger Høibakk hielt hinter ihm. Sie gingen in den Laden und nahmen zwei Cola aus dem Kühlschrank. An diesem Freitagnachmittag herrschte ziemlicher Betrieb. Auf dem Weg zur Kasse nahm Cato Isaksen noch zwei Schokoriegel mit. Die Ermittler schauten sich um. Hinter der Kasse stand eine Frau mittleren Alters, die einen roten Pullover trug. Als Cato Isaksen gerade bezahlen wollte, kam ein Junge mit langen, schwarzgefärbten Haaren aus dem Hinterzimmer. Er trug unter einer leichten Jacke einen dunklen Rollkragenpullover. Cato Isaksen fielen seine weiße Haut und die blauen Augen auf, die ihm für einen Moment ins Gesicht schauten, dann machte der Junge kehrt und verschwand wieder im Hinterzimmer.
Cato Isaksen bezahlte und erkundigte sich nach André Hansen. Die Frau im roten Pullover rief diesen Namen und der schwarzhaarige, schmächtige, fast feminin wirkende Junge kam wieder zum Vorschein. Er hatte überhaupt keine Ähnlichkeit mit seinem jüngeren Bruder.
Cato Isaksen stellte sich diskret vor und fragte, ob der andere am folgenden Tag in Oslo auf der Wache vorbeischauen könne. André Hansen blickte ihn überrascht an. Dann zuckte er vage mit den Schultern und sagte, das sei sicher kein Problem. «Aber eigentlich muss ich dann arbeiten», fügte er hinzu.
«Wann musst du anfangen?»
«Um drei.»
«Dann sagen wir um elf, in Oslo, im Polizeigebäude, geht das?»
André Hansen nickte kurz.
23
Als Aato Isaksen endlich nach Oslo zurückfahren konnte, war es schon fast sieben Uhr abends. Müde fuhr er sich über die Augen. Was war das für ein Tag gewesen! Plötzlich
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